Offene Rechnungen
Rede!«
Frank hob in gespielter Verwunderung seine Augenbrauen und spielte dann die Aufzeichnung zurück, um Sonntag dessen letzte Aussage nochmals vorzuspielen.
»Ich verdrehe doch nichts, Herr Sonntag. Das waren Ihre eigenen Worte. Also, was ist wirklich geschehen?«
Erschöpft schüttelte Reinhard Sonntag den Kopf, verweigerte eine weitere Antwort. Für einen winzigen Moment war er versucht, in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Doch der Anflug verschwand fast genauso schnell, wie er gekommen war.
»Na, schön. Dann fangen wir also noch einmal von vorne an.«
Frank führte die Vernehmung eine weitere Stunde durch, ohne zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Schließlich beendete er die Vernehmung und ließ einen sichtlich erschöpften Reinhard Sonntag zurück. Frank warf einen Blick durch die Beobachtungsscheibe des anderen Vernehmungsraumes, wo Esther Helmholtz gerade ebenfalls das Aufnahmegerät abschaltete. Er ging weiter in die Küche und füllte zwei Becher mit Kaffee, bevor er zu seiner Kollegin ging. Die Oberkommissarin nahm dankbar den Becher entgegen. Frank konnte ihr die Anstrengung der langen Vernehmung ansehen.
»Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen einen Abriss von Sonntags Aussage gebe? Anschließend vergleichen wir sie mit dem, was Frau Landau Ihnen erzählt hat.«
Esther nahm das Angebot gerne an, daher setzten die beiden Beamten sich in sein vorläufiges Dienstzimmer. Reinhard Sonntag und Monika Landau blieben unter Beobachtung in den Vernehmungsräumen.
*
Esther hörte zunächst zu, wie ihr Kieler Kollege im Wesentlichen die gleiche Geschichte wiedergab, die sie so auch von Monika Landau gehört hatte.
»Nein! Da stimmt etwas nicht. Frau Landau schildert es so, als wenn sie von Herrn Sonntag abgehalten worden wäre, die merkwürdigen Geräusche zu überprüfen. Was stimmt denn nun? Hat Frau Landau ihren Liebhaber zurückgehalten oder war es doch eher umgekehrt?«
Reuter sah sie mit einem merkwürdigen Ausdruck an, den Esther nicht deuten konnte. Im Grunde hatte sie die Vernehmung der Frau durchaus als einen Erfolg angesehen, doch diese Vorstellung zerstob bei Franks Ausführungen zu seiner Vernehmung von Reinhard Sonntag.
»Dachte ich mir schon. Die Geschichten verfügen über genügend kleine Abweichungen, um nicht abgesprochen zu sein. Aber über den entscheidenden Augenblick sind sich beide klar und deshalb lügen sie.«
»Sie lügen beide? Sie glauben also weder Herrn Sonntag noch Frau Landau?«
Esther schaute den Hauptkommissar überrascht an. Sie hatte nicht mit dieser Ansicht gerechnet. Fast erleichterte sie diese Aussage ein wenig, da es also nicht an ihren mangelhaften Vernehmungstechniken gelegen haben konnte. Doch bei der Vorstellung nochmals diese gesamte Litanei mit Monika Landau durchgehen zu müssen, spürte Esther auch ein unangenehmes Ziehen in der Magengrube.
»Ja, da fehlt uns wohl noch ein entscheidendes Detail. Wie würden Sie jetzt vorgehen, um dieses fehlende Puzzleteilchen zu erhalten?«
Esther sah einen simplen Weg, um diese Manöver auszubremsen.
»Ich würde die beiden mit den Abweichungen gemeinsam konfrontieren. Dabei sollte auf jeden Fall eine verwertbare Reaktion herausspringen.«
Frank Reuter nickte zustimmend.
»Ja, so würde ich es auch machen.«
Sie tranken in Ruhe den Kaffee aus und erwogen verschiedene Gründe für die Abweichungen in den Aussagen.
»Ich habe dabei nicht das Gefühl, dass Frau Landau ihren Geliebten auflaufen lassen möchte. Es ist wie gesagt nur ein Gefühl, trotzdem erwarte ich eigentlich einen anderen Grund.«
Esther war sich bewusst, wie wenig die meisten Männer auf solche Gefühle gaben. Zu ihrer Überraschung nickte Frank auch dieses Mal. Der Kieler Hauptkommissar zeigte einmal mehr eine Facette seiner Persönlichkeit, mit der sie so nicht gerechnet hatte.
»Pflegen Sie Ihr Gefühl, Esther. Wenn wir uns immer nur auf die objektiven Dinge verlassen, entgeht uns häufig ein wichtiges Merkmal. So, ich denke wir können. Einverstanden?«
War sie und so holten sie gemeinsam Reinhard Sonntag aus dem Vernehmungsraum. Er schaute angespannt auf, als die beiden Beamten in der Tür auftauchten.
»Kommen Sie bitte mit, Herr Sonntag. Mein Kollegin und ich müssen noch eine offene Frage mit Ihnen sowie Frau Landau klären.«
Esther beobachtete genau, wie die verschiedenen Ebenen in der Reaktion bei dem Geliebten von Monika Landau ausfielen. Zunächst erschien ein zweifelnder Ausdruck in seinen Augen, dann bekämpfte er erkennbar eine
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