Offene Rechnungen
Plakat in der Dunkelheit auf und vor dem Mercedes erschien ein anderer Wagen wie aus dem Nichts.
»Was zum Teufel!«, entfuhr es dem erschrockenen Fahrer.
Tobias Landaus rechter Fuß wechselte im Reflex vom Gas- aufs Bremspedal. Doch im gleichen Augenblick erkannte der Unternehmensberater, dass sich der Abstand zum quer auf der Fahrbahn stehenden Fahrzeug viel zu schnell verringerte.
»Du verdammter Vollidiot!«
Während Landau seinen Frust durch lautes Fluchen äußerte, riss er das Lenkrad nach rechts. Die Vorderräder seiner Limousine pflügten sich durch den schmalen Grünstreifen zwischen Straße und Fahrradweg. Doch das war lediglich eine Momentaufnahme, denn der gewaltige Vortrieb der schweren Maschine trieb den Mercedes weiterhin unerbittlich voran. Landaus Zähne schlugen aufeinander, als die Reifen sich in den vom Regen aufgeweichten Untergrund des Ackers eingruben. Wie ein notgelandetes Flugzeug wühlte der Wagen des Unternehmensberaters das Feld auf. Mit aller Gewalt umklammerte Tobias das wild schlagende Lenkrad, dessen Schläge sich in seinem gesamten Oberkörper fortpflanzten.
»Oh, nein!«, brüllte er auf, als das Plakat urplötzlich aus der Dunkelheit vor ihm auftauchte.
Völlig sinnlos erhöhte Landau nochmals den Druck auf das Bremspedal, welches längst bis aufs Bodenblech durchgedrückt war. Verzweifelt riss er die Arme vors Gesicht, als die Kühlerhaube sich mit einem fürchterlichen Schlag in den Anhänger unterhalb des Plakates bohrte. Das Letzte, an was Tobias Landau dachte, war an die frischen Kartoffeln vom nächstgelegenen Bauernhof.
*
Frank saß noch bei einem ausgiebigen Frühstück in seinem Hotel, als Esther Helmholtz ins Restaurant trat und sich suchend umschaute. Der Kieler Hauptkommissar ahnte sofort, dass etwas Ungewöhnliches geschehen sein musste. Er hob den Arm und winkte seine Kollegin an seinen Tisch.
»Moin, Esther. So wie Sie aussehen, wollen Sie mir das Frühstück versauen.«
Eigentlich hatte Frank mit der flapsigen Bemerkung die Oberkommissarin auflockern wollen, doch der Versuch lief ins Leere. In den braunen Augen stand Verwirrung und zu seiner Verwunderung auch eine Spur Panik.
»Moin, Frank. Die Kollegen haben heute Nacht einen tödlichen Verkehrsunfall aufgenommen. Ein Wagen ist offenbar mit überhöhter Geschwindigkeit auf der L42 von der Straße abgekommen.«
Frank versuchte sich aus diesen wenigen Informationen den Anlass für Esthers Aufregung herauszufiltern. Es wollte ihm nicht gelingen.
»Und? Was hat das mit unseren Ermittlungen zu tun?«
Esther sagte es ihm mit tonloser Stimme.
»Der Fahrer war Tobias Landau.«
Frank lehnte sich fassungslos zurück.
»Das ist allerdings ein unglaublicher Zufall«, murmelte er dann.
»Es kommt leider noch schlimmer, Frank. Die Kollegen von der Unfallaufnahme fanden Spuren, die auf die Beteiligung eines anderen Fahrzeuges an dem Unfall hindeuten.«
Frank richtete sich ruckartig auf.
»Landau wurde von einem anderen Fahrer abgedrängt? Der Unfall war Mord?«
Esther nickte und machte dazu eine vage Geste. Offenbar hatte seine Kollegin sich auf diesen Umstand bisher auch keinen vernünftigen Reim machen können.
»Wann ist der Anschlag passiert?«, fragte Frank, schon im Aufstehen begriffen.
»Laut Aussage der Kollegen muss es zwischen ein und zwei Uhr in der Früh passiert sein. Wir wissen aber noch nicht, was Landau auf der Landstraße nach Sehestedt gesucht hat.«
Frank hatte seine Lederjacke von der Stuhllehne genommen und schob seine Kollegin vor sich her. Zwischenzeitlich hatte er die zeitlichen Abfolgen analysiert und eine Stinkwut stieg in ihm auf.
»Darüber hätten wir viel früher informiert werden müssen. Wieso erfahre ich erst jetzt davon?«
Erneut hatte mangelnde Kommunikation zwischen den verschiedenen Dienststellen zum Verlust wertvoller Stunden geführt. Ein Vorgang, der Frank seit seinem Dienstantritt bei der Kriminalpolizei regelmäßig in Wut versetzte.
»Es hat ein wenig gedauert, bis die Identität von Landau herausgefunden werden konnte. Sein Wagen ist frontal auf einen Anhänger geprallt, den ein Landwirt dort abgestellt hatte.«
Im Innenhof des Hotels stand der rote Volvo seiner Kollegin zwei Wagen von seinem Passat entfernt.
»Wurde Frau Landau schon in Kenntnis gesetzt?«
»Ja, die Kollegen haben sie noch in der Nacht informiert. Die arme Frau musste sogar den Leichnam identifizieren«, bestätigte Esther Helmholtz.
Frank rieb sich nachdenklich sein Kinn. Dann fasste er einen
Weitere Kostenlose Bücher