Offene Rechnungen
Betrachtungen nachging, behielt Frank vorsichtshalber die Straße im Auge. Als sich in der Ferne ein Lkw näherte, warnte er Esther rechtzeitig.
»Diese Bremsspuren gehören zu einem zweiten Wagen und das haben auch die Kollegen so gesehen. Meiner Einschätzung nach hat da jemand den Wagen von Landau überholt und ihn durch eine überraschende Vollbremsung zu diesem Ausweichmanöver gezwungen. Dieser Jemand hatte sich die Stelle gezielt ausgesucht, sodass Landau höchstwahrscheinlich gegen den abgestellten Hänger krachen musste.«
Frank wartete ab, bis der Lkw an ihrer Stelle vorbeigedonnert war. Dann betrachtete er die vielen Bremsspuren auf dem Asphalt unter Berücksichtigung der Ausführungen seiner Kollegin. Tatsächlich ergab sich auf diese Weise ein Muster des vermutlichen Ablaufes.
»Wahrscheinlich haben Sie recht, Esther. Der Fahrer des anderen Fahrzeuges hat vielleicht sogar mit abgeschaltetem Licht auf dem Fahrradweg gestanden. Als Landau dann über diese Kuppe kam, schoss der zweite Wagen unmittelbar vor seiner Kühlerhaube auf die Straße und bremste hart. Da blieb Landau keine Chance, außer einer Vollbremsung und dem Ausflug auf den Acker. Ganz schön raffiniert.«
Mittlerweile saßen die beiden Beamten wieder im Passat, den Frank zurück nach Rendsburg lenkte. Esther hatte an diesem Punkt ihrer Theorie zu kauen gehabt, aber mit Reuters Erklärung rundete sich das Bild zu ihrer Zufriedenheit ab. Landau musste in eine Situation gebracht worden sein, die ein Abbremsen oder Ausweichen über die Gegenfahrbahn unmöglich gemacht hatte. Offen blieb nur die Frage, wieso Tobias Landau hatte sterben müssen? Und wie hing sein Tod mit dem Mord an Ralph Wiese zusammen?
KAPITEL 12
Esther war froh, dass Hauptkommissar Reuter allein mit Monika Landau sprechen wollte. Vermutlich ahnte die Frau des Unternehmensberaters sogar, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Doch sie musste deswegen nicht gleich vom Schlimmsten ausgehen, obwohl ihr Mann in der Nacht einen tödlichen Unfall gehabt hatte. Frank würde ihr die böse Nachricht vom gezielten Mord überbringen und das war eine Aufgabe, um die Esther ihren Kollegen nicht beneidete. Sie kümmerte sich derweil um einen Termin mit dem Schulleiter der Regionalschule, in der Ariane Wiese als Lehrerin tätig war. Sein Name lautete Oskar Bolzin und er zierte sich ein wenig, gab aber schließlich nach. Als Frank in die Inspektion zurückkehrte, berichtete Esther von ihrem Erfolg.
»Sehr gut. Wann erwartet der Schulleiter uns?«
Ihnen blieb noch genügend Zeit, sodass Frank seiner Kollegin von dem Gespräch mit Monika Landau berichten konnte.
»Sie wirkte völlig apathisch, daher habe ich den Notarzt gerufen. Sie steht unter einem massiven Schock und wurde ins Krankenhaus gebracht. Sie konnte mir nicht verraten, was ihr Mann auf der Landstraße gemacht hat.«
Die beiden Beamten spekulierten eine Weile herum, fanden aber keine logische Erklärung für diesen Anschlag. Der Fall wurde für Esther immer rätselhafter. Schließlich wurde es Zeit und sie fuhren gemeinsam zur Regionalschule, die nur einen Steinwurf vom Zentrum in der Kieler Straße entfernt lag.
Der Schulleiter entpuppte sich als ein typischer Vertreter seiner Art, wie Frank es erwartet hatte. Oskar Bolzin musste etwa im gleichen Alter wie der Hauptkommissar sein, wirkte aber durch sein Äußeres erheblich älter. Zu einer ausgebeulten Jeans trug er ein Cordsakko, unter dem sich das gestreifte Hemd über dem Bauch deutlich spannte. Insgesamt war der braunhaarige Mann ein schwammiger Typ, dessen fleischige Hand zu keinem festen Händedruck taugte.
»Ich muss gleich feststellen, dass ich nur das Beste über die Kollegin Wiese sagen kann. Was auch immer erzählt wird, ist weitgehend an den Haaren herbeigezogen«, glaubte Bolzin gleich nach der Begrüßung sagen zu müssen.
Vielleicht hatten ihn die Formulierungen der Rechtsbelehrung dazu verleitet. Frank und Esther saßen an einem Besprechungstisch im Dienstzimmer des Rektors der Regionalschule. Die Schulsekretärin hatte Kaffee und einen Teller mit Gebäck auf den Tisch gestellt. Der neugierige Blick der Frau sprach Bände.
»Was wird denn so gesprochen?«
Überrascht schaute Bolzin zu Frank, der die Frage gestellt hatte. Es missfiel dem Schulleiter, dass schon wieder Polizei in seiner Schule war. Das warf kein gutes Bild auf ihn und die Regionalschule.
»Ähem. Na, ja. Es soll da angeblich körperliche Übergriffe auf Kollegin Wiese gegeben haben, damals auf dem
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