Offene Rechnungen
Lehrerin hinunter. Ärgerliche Röte überzog ihr Gesicht, als sie mit zusammengepressten Lippen das Handy wieder in der Manteltasche verschwinden ließ.
»Das war nicht witzig. Unverschämtheit!«
Wütend stapfte sie davon, während der schlaksige Mann verständnislos von Frank zu seiner davoneilenden Kollegen schaute.
»Ihre Kollegin hat wohl wenig für meine Art von Humor über. Robert Harmsen, nehme ich an?«
»Genau der. Herr Bolzin meinte, Sie würden mit mir reden wollen. Es geht wohl um diesen vermaledeiten Schulausflug. Richtig?«
Robert war vom Rektor informiert worden, sodass er sich auf das Gespräch vorbereiten konnte. Im ersten Augenblick war eine Welle von Panik in ihm aufgestiegen, als Bolzin von den wartenden Kriminalbeamten erzählte. Die Panik ebbte genauso schnell wieder ab, als der nervöse Bolzin auf den Grund für den Polizeibesuch zu sprechen kam.
Frank deutete auf den Parkplatz und ging los. Der Zwischenfall mit der Lehrerin hatte die Aufmerksamkeit einiger Schüler geweckt, die sich auffällig unauffällig in der Nähe der Beamten herumdrückten. Beim Gehen belehrte der Kieler Hauptkommissar Harmsen zu seinen Rechten und Pflichten als Zeuge.
»Gehen wir zum Parkplatz, damit unser Gespräch keine ungewollten Zuhörer findet.«
Esther wirkte eingeschnappt, wie Frank am Rande bemerkte. Ihr hatte sein kleiner Scherz offenbar auch keine echte Freude bereitet. Schweigend hielt die Oberkommissarin sich an der anderen Seite des Lehrers. Esther missfiel die schnoddrige Art, mit der Reuter die junge Lehrerin verärgert hatte. In Esthers Augen hatte sie nur sehr aufmerksam reagiert, so wie es eigentlich alle Lehrer tun sollten. Angesichts der sich häufenden Vorfälle auf Schulhöfen konnte Esther nichts Verwerfliches in ihrem Verhalten feststellen. Ganz offensichtlich hatte Reuter seinen Frust bei der jungen Frau abgelassen, was Esther zusätzlich als schwach empfand. Zwischenzeitlich hatte sich der Nieselregen verzogen und die Sonne hatte eine Lücke durch die schnell am Himmel treibenden Wolken gefunden. Harmsen hatte den Reißverschluss seiner Jacke im Militarylook weit hinuntergezogen, trug darunter einen Pullover mit Rundausschnitt. Zur legeren Jacke passten seine Baumwollhosen mit Aufsetztaschen und braunen Halbschuhe. Das gebräunte Gesicht unter den dunkelblonden, kurz gehaltenen Haaren verströmte Vitalität.
»Ihre Vermutung ist korrekt, Herr Harmsen. Wir möchten mehr über die Geschehnisse bei dem Schulausflug erfahren. Was ist damals wirklich passiert?«
Bei Franks Frage flog ein Schatten über das Gesicht des Sportlehrers. Sie hatten den Parkplatz erreicht und dort lehnte Harmsen sich lässig gegen einen weißen Golf.
»Es ist immer sehr anstrengend, wenn man mit den höheren Stufen einen Ausflug macht. Besonders die mehrtägigen Veranstaltungen stellen eine echte Herausforderung dar. Genauso war es auch bei diesem Ausflug.«
Robert Harmsen berichtete von verschiedenen Vorkommnissen, die mehr oder weniger in den Bereich jugendlicher Unsinn gehörten. Frank gewährte dem Lehrer ein wenig Freiraum, ließ ihn ins Erzählen kommen. Als Harmsen zu dem eigentlichen Abend kam, an dem die Ereignisse eskaliert sein sollen, wurde er aber immer einsilbiger.
»Also, raus mit der Sprache! Was haben Sie vorgefunden, als der Lärm sie in den Speisesaal gelockt hat?«
»Ich hörte erregte Stimmen und glaubte vorher sogar, einen Hilfeschrei gehört zu haben. Im Saal selbst traf ich auf eine völlig verstörte Ariane, während eine Gestalt durch die Verbindungstür zur Küche verschwand.«
Diese Darstellung konnte nur eine Person widerlegen und die war dazu wohl kaum in der Lage, also blieb Robert bei seiner bewährten Geschichte.
Esther hatte mittlerweile ihren Notizblock gezückt und schrieb mit.
»In was für einen Zustand befand sich die Kleidung von Frau Wiese?«, fragte sie.
Frank nahm die Einmischung seiner Kollegin in die Befragung als gutes Zeichen. Harmsen runzelte nachdenklich die Stirn. Diese Art Fragen hatte man ihm bisher nicht gestellt, daher musste er improvisieren.
»Als ich reinkam, knöpfte sie die Bluse zu und richtete ihre Frisur wieder.«
Bei der Antwort schaute Harmsen an den beiden Kriminalbeamten vorbei. Er wirkte verlegen.
»Was haben Sie in diesem Augenblick gedacht, Herr Harmsen?«
»So ganz genau kann ich das gar nicht beantworten. Mir gingen viele Dinge durch den Kopf. Ich wusste nicht, ob ich Ariane vielleicht bei einem etwas ausgeuferten Flirt erwischt hatte.«
Esther
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