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Offene Rechnungen

Offene Rechnungen

Titel: Offene Rechnungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacobsen Harald
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spürte fast körperlich, wie der Lehrer log. Ärger über sein Verhalten ihnen und vor allem Ariane gegenüber drohte sie zu übermannen. Hart würgte sie die aufkommende Wut hinunter und konzentrierte sich stattdessen auf entlarvende Fragen.
»Das ging Ihnen als Erstes durch den Kopf? Wieso? Neigt Ihre Kollegin denn zum Flirt mit Schülern?«, schloss Esther mehrere Fragen an.
Erstmals entstand ein Wechselspiel zwischen Ihnen, so wie Frank es von erfahrenen Kollegen gewohnt war. Seine Einschätzung zu Esther Helmholtz' Fähigkeiten als Ermittlerin erwiesen sich einmal mehr als zutreffend. Gespannt verfolgte der Kieler Hauptkommissar, wie seine Kollegin dem verstockten Lehrer zusetzte. Dass Harmsen log oder wenigstens wichtige Einzelheiten verschwieg, daran hegte auch Frank keine Zweifel.
»Nein, ach nein. Sehen Sie, ich wusste doch, wie falsch solche Eindrücke rüberkommen. Ich wollte Ariane nicht in einem falschen Licht darstellen.«
Harmsen suchte nach einem Weg, wie er aus dieser Befragung möglichst unbeschadet herauskam. Er hätte sich mehr Gedanken zu den Details machen sollen, aber bisher hatte kein Anlass dazu bestanden. Ihm drohte die Situation zu entgleiten. Ein widerliches Gefühl.
»Nein? Wenn dies Ihr erster Eindruck war, haben Sie die Kollegin doch sicherlich auf die ungewöhnliche Situation angesprochen. Was hat Frau Wiese denn gesagt?«
Frank war einen Schritt näher zum Sportlehrer getreten, was diesem sichtlich unangenehm war. Zusätzlich zum Fragendruck wollte er auf diese Weise den physischen Druck einsetzen. Alle Menschen haben das Bedürfnis nach einem gewissen Abstand zwischen sich und dem Nächsten, den man nicht so ohne Weiteres übertreten darf. Tut man es dennoch, gibt es dafür nur zwei Gründe: zärtliche Nähe oder drohende Gefahr. Frank setzte bei Harmsen auf die zweite Version, er lenkte den Lehrer durch seine Nähe ab und behinderte ihn beim Nachdenken. Seine Antworten sollten weniger überlegt kommen.
»Ja, habe ich. Ariane hat etwas von einem Missverständnis gemurmelt und ich habe es ihr geglaubt.«
Esther schnaubte verärgert auf. Frank empfand die dreiste Lüge ebenso als unverschämt.
»Haben Sie nicht, Herr Harmsen! Los. Lassen Sie uns teilhaben an Ihren Gedanken. Was glauben Sie wirklich?«
Der Lehrer strich sich nervös übers Gesicht, schloss den Reißverschluss seiner Jacke. Robert spielte seine letzte Karte aus, obwohl ihm das enorme Risiko dabei bewusst war.
»Ach, verdammt! Wir haben hier einige echt üble Typen unter den Schülern. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich einer davon an meine Kollegin herangemacht hatte. Aber Ariane hat nie darüber sprechen wollen und ist stattdessen krankgeschrieben worden.«
Endlich war es raus. Frank und Esther tauschten einen verstehenden Blick aus.
»Haben Sie über Ihren Verdacht jemals mit dem Rektor gesprochen?«, wollte Esther wissen.
Harmsen nickte und setzte dabei einen merkwürdigen Ausdruck auf.
»Was? Wie hat Herr Bolzin reagiert?«
Dieses Mal war es an Frank nachzuhaken.
»Mir gegenüber hat er sich nicht weiter dazu geäußert, aber Ihr Kollege war am gleichen Nachmittag beim Rektor.«
»Mit Kollege meinen Sie Hauptkommissar Wiese?«
»Ja, natürlich.«
Mehr war vom Sport- und Mathematiklehrer nicht zu erfahren, also schlossen sie die Befragung an dieser Stelle ab. Robert Harmsen eilte zurück ins Schulgebäude, wirkte dabei sehr erleichtert.
»Was sagt uns das?«
Frank sah Esther Helmholtz fragend an.
»Ralph wäre einem solchen Verdacht auf jeden Fall nachgegangen. Das würde auch erklären, wieso er nicht mit mir darüber gesprochen hat. Er wollte Ariane beschützen.«
So sah Frank es auch. Wie verabredet schauten beide Beamten gleichzeitig über die Straße zum Zentrum.
»Vielleicht wissen wir jetzt endlich, was unser Kollege im Zentrum gesucht hat«, spekulierte Frank halblaut.
»Denjenigen, der versucht hat, Ariane zu vergewaltigen. Wir suchen vermutlich einen Schüler aus der Abgangsklasse, der in irgendeiner Weise mit dem Zentrum verbunden sein muss«, ergänzte Esther.
Frank rieb sich das Kinn, nickte schließlich.
»Das ist zwar noch mehr Spekulation als Wissen, aber ich denke genauso. Ein neuer Ansatz ist es allemal.«
Sie gingen zum Passat und fuhren zurück in die Inspektion.
     
    *
     
    Am Nachmittag erschien der Staatsanwalt unangemeldet im Büro und wollte dieses Mal von beiden Beamten gemeinsam auf den Stand der Ermittlungen gebracht werden. Zu Esthers Überraschung trug er eine Krawatte, die sie ihm

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