Oh, diese Verwandschaft!
bin ich meiner Sache auch noch nicht ganz so sicher. Ich weiß, dir gegenüber war ich immer eine Egoistin, Laura, aber du hast das geradezu herausgefordert. Doch im Grunde bin ich nicht scharf darauf, andere Leute zu verletzen. Und dann sind ja auch noch die Kinder da.«
»Kinder?« Laura erschrak so heftig, daß sie unwillkürlich lauter redete. »Sie haben Kinder?«
»Das ist doch nichts Ungewöhnliches.« Evas Stimme klang gereizt, als wollte sie sich verteidigen. »Zwei. Und auch noch in einem schwierigen Alter. Einen Jungen und ein Mädchen.«
»Ich meine, daß jedes Alter schwierig ist, wenn einen der Vater verlassen will. Wie alt sind sie denn?«
»Der Junge ist elf und das Mädchen sieben.«
»Dann muß ihr Vater ziemlich viel älter sein als du.«
Eva erwiderte kühl: »Ken ist siebenunddreißig. Knapp vor dem Greisenalter. Außerdem habe ich immer ältere Männer vorgezogen.«
Laura unterdrückte den Wunsch, Eva an ihre letzten vier Verehrer zu erinnern, die alle noch sehr jung gewesen waren. Gedehnt sagte sie: »Da muß er dich wohl sehr liebhaben, Eva, wenn er seiner Frau wehtun will, die ihn gern hat und die er wahrscheinlich auch noch gern hat, und zwei Kindern, die alt genug sind, um alles zu verstehen. Ja, er muß dich wirklich lieben oder wenigstens glauben, daß er dich liebt.«
»Glauben? Was meinst du damit?« Evas Stimme klang schrill, doch Laura ließ sich nicht einschüchtern.
»Ich glaube, daß solche Sachen selten von Dauer sind. Ein Mann, auch ein anständiger Mann, kann bezaubert sein von einer jungen, schönen Frau. Aber nach einiger Zeit wird die Erinnerung übermächtig, und dann wird der Zauber vergehen.«
»Und dann?«
»Und dann wird es für alle Beteiligten schlimm sein.«
Damit stand Laura auf. Sie schob ihren Stuhl zurück. Sie hatte das Gefühl, genug gesagt zu haben. Freundlich schloß sie: »Es hat keinen Sinn, heute abend noch weiter darüber zu reden. Du bist ja eine ganze Zeit hier, lang genug, um alles zu überdenken. Wir können ein andermal weitersprechen.«
Aber ihr liebevolles Herz gewann die Oberhand. »Du mußt nicht glauben, daß ich dich verurteile, Eva«, sagte sie weich. »Ich weiß, daß so etwas passieren kann. Nur — ich möchte, daß du deiner Sache ganz sicher bist und daß du wirklich glücklich wirst.«
»Danke, Laura. Das ist mehr, als ich von dir erwartet habe.«
»Von mir, die ich unter Großmutters Einfluß gelebt habe? Ich bin schließlich zweiundzwanzig und besitze etwas Einfühlungsvermögen.« Sie öffnete die Tür.
»Jetzt muß ich gehen. Derek wird sich alles mögliche denken, wenn ich noch länger bleibe.«
Eva setzte sich auf und sagte nachdrücklich: »Derek?«
Es war, als wäre ihr gerade erst eingefallen, daß da einer der Herr im Hause war.
»Erzähl Derek nichts davon, Laura. Sag ihm nur, ich wäre hier, um Urlaub zu machen. Derek würde mich sicherlich tadeln, und ich habe keine Lust, mir seine Predigten anzuhören.«
Laura nickte. Tadeln war ein viel zu mildes Wort. Im Augenblick war sie froh, ihrem Mann nichts über die neueste Krise erzählen zu müssen.
8
Laura verbrachte eine unruhige Nacht. Beim Frühstück war sie still und geistesabwesend. Eva war nicht erschienen, und zum erstenmal fand Laura es schwierig, mit ihrem Mann allein zu sein.
»Kopf hoch, Liebes! Genieße das Frühstück zu zweien. Es sieht so aus, als müßten wir die übrigen Mahlzeiten unweigerlich zu viert einnehmen. Nein, du brauchst dich nicht zu verteidigen. Ich will dich nicht fragen, wie lange Eva hierbleibt, und warum du heute nacht so unruhig warst. Es liegt irgend etwas in der Luft, aber ich will nicht wissen was. Und das ist auch gut so, denn offensichtlich hast du nicht die Absicht, es mir zu erzählen.«
»Du tust so, als ob ich es nicht wollte. Aber wenn Eva sagt...«
»>...erzähl Derek nichts davon<, und wenn sie es mit besonderem Nachdruck sagt, da seufzt du erleichtert auf. Jedenfalls hätte sie ihre Tür zumachen sollen. Es ist schon recht. Mir ist klar, daß bei dir das unglückliche >Waisenkind< an erster Stelle steht. Ich kann’s ertragen, wenn ich in diese albernen Geschichten nicht hineingezogen werde.«
Sie konnte ihm seine Erbitterung nicht verübeln. Sie vermochte nur zu sagen: »Hast du nicht irgendeine Arbeit für mich auf der Farm? Ich möchte so gern heute morgen mit dir zusammen fortgehen.«
Sofort war er besänftigt.
»Ich hole dein Pony, und dann können wir zusammen das Vieh auf die hinteren
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