Oh, diese Verwandschaft!
sie Lauras Gesichtsausdruck sah.
»Ja, seine Frau. Ach, Laura, sei doch nicht so streng und altmodisch. Alle Tage verlassen Männer ihre Frauen oder umgekehrt. Du weißt doch, heutzutage ist das nichts Besonderes. Niemand macht mehr viel Aufhebens wegen einer Ehe. Warum auch, wenn sie einander lieben?«
»Und du, liebst du ihn?«
»Ja. Er paßt zu mir. Er besitzt alles, auch Verstand. Nicht wie der Trottel, den ich neulich mitbrachte. Übrigens, hast du schon gehört, daß er sich mit dieser dämlichen Janice verlobt hat? Die passen gut zueinander. Sie werden die schönsten Kinder von der Welt haben, und sie werden nie merken, wie schwachsinnig jedes ist.«
Bei dieser boshaften Bemerkung konnte Laura ein Lächeln nicht unterdrücken. Aber sie wurde gleich wieder ernst und sagte zögernd: »Bist du deiner Sache auch sicher, Eva? Wirklich sicher, denn...«
»Denn was?«
»Also, ich weiß schon, daß eine Scheidung heute nichts Besonderes ist. Trotzdem ist es ein entscheidender Schritt. Und du bist nicht so erzogen, so etwas auf die leichte Schulter zu nehmen.«
»Ach, hör doch auf! Was bedeuten heute noch Erziehung oder Kinderstube oder Lebensart oder Religion? Das haben wir überwunden. Jeder lebt, wie er es für richtig hält.«
»Ja, ich weiß, manche tun das. Aber bist du auch überzeugt, daß es für dich das Richtige ist?«
»Warum, in aller Welt, nicht?«
Großmutter fiel ihr ein, wie sie nach einer besonders heiklen Affäre von Eva gesagt hatte: »Eva ist unverdorben. Von Grund auf unverdorben. Sie ist eitel und frivol, aber nur an der Oberfläche. Ich gebe zu, daß ich sie verwöhnt habe. Ich liebe hübsche Menschen, und sie war immer schön, schon als kleines Kind. Um sie habe ich eigentlich keine Angst. Sie wird immer ihre Anfälle haben, aber das geht vorüber. Sie hat doch ihre Grundsätze und einen gesunden Menschenverstand.«
Das alles rief sich Laura ins Gedächtnis und hoffte, Eva würde sich beruhigen. Aber das junge Mädchen sagte ungeduldig: »Ich wußte schon, daß du Großmutter zitieren würdest. All dieses veraltete Zeug. Wie schön für sie, daß sie so dachte. Aber ich bin froh, daß sie tot ist; so brauche ich sie nicht zu enttäuschen. Sei doch einmal sachlich, Laura. Großmutter war eine wunderbare Frau; aber wie gesagt, sie ist tot. Es hat doch keinen Zweck, so wie du in ihrem Sinn weiterzuleben. Solange sie lebte, haben wir uns nach ihr gerichtet. Jetzt ist sie tot, und ich lebe und du auch. Nur bist du dir nicht klar darüber. Und Ken bedeutet mein Leben.«
»Ach, Eva, bist du davon wirklich überzeugt? Überlege es dir genau.«
»Das will ich auch. Deshalb habe ich vierzehn Tage Urlaub genommen, um hier in Ruhe über diese Dinge nachzudenken. Den Urlaub habe ich noch gut, und ich kann ihn geradesogut jetzt nehmen; denn wenn ich mit Ken fortgehe, bedeutet das sowieso das Ende meiner Karriere.«
»Fortgehen? Willst du denn fort von hier?«
»Ja. Ken ist in Australien eine sehr gute Stellung angeboten worden. Wenn alles gut geht, sind wir in drei Wochen über alle Berge. In Australien ist alles viel einfacher. Da ist keiner, der mich schief ansehen kann. Eine große Stadt und ein neues Leben.«
»Das kann ich mir vorstellen. Und was wird aus seiner Frau?«
Eva zuckte zusammen. Sie lag lang ausgestreckt auf dem Bett, ihr schöner Körper war entspannt, und sie war ganz gelöst. Man hätte meinen können, sie spräche von wildfremden Menschen. Aber jetzt setzte sie sich auf. »Seine Frau? Ja, ich kenne sie. Sie ist freundlich, aber so still. Nicht wie Ken. Nicht geistig oder musisch begabt.«
»Ist sie hübsch?«
»Nicht besonders. Ich glaube, sie war es einmal, aber sie macht nichts aus sich. Du kennst diese Art. Kein Typ für Männer.«
Ja, Laura kannte diese Art. Eine Frau wie sie selbst. Weder so energisch noch so blendend wie die »Waisenkinder«. Ruhig sagte sie: »Hat sie ihn lieb?«
»Ich nehme an. Sie zeigt es nicht sehr, und sie interessiert sich nicht für die Dinge, die Ken Spaß machen.«
»Welche Dinge? Was macht er?«
»Er ist Dozent an der Uni, und seine Leidenschaft ist das Theater. Dadurch habe ich ihn auch kennengelernt. Ich hatte eine kleine Rolle in einem Stück, das er inszeniert hat.«
»Und seine Frau nimmt keinen Anteil an seinem Leben?«
»Kaum. Ich weiß nicht viel von ihr. Er spricht nicht über sie, und wenn ich ihn nach ihr frage, gibt er keine Antwort. Er möchte ihr nicht wehtun. Aus diesem Grunde zögert er immer noch, und deshalb
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