Oh Happy Dates
leichter hat, wenn sie wieder zu sich kommt. Wenn man uns braucht, sind wir in zwei Sekunden da.«
»Ja, und George und Rosie können für sie diese Genesungskarten machen«, sagt Gail.
»Damit sie es hübsch hat, wenn sie aufwacht«, murmelt mein Dad. Gail und ich nehmen jeweils einen Arm von Dad und verlassen den seelenlosen Raum.
65
Mein Dad ist in der Küche. Er hört Barry White. Obwohl er Barry White gar nicht mag. Mum jedoch liebt Barry White. Es ist die CD, die sie zuletzt abgespielt hat.
Einen Moment lang beobachte ich Dad von der Tür aus. Er sitzt am Tisch. Sein Kopf ruht in seinen Händen. Gail hat ihm vor Stunden einen Tee gekocht. Der steht neben ihm. Kalt. Und meine Schwester macht wirklich guten Tee. Er hat Kerzen im Zimmer angezündet. Mein Dad kommt sonst nie auf die Idee, eine Kerze anzuzünden. Er kann schummerige Beleuchtung nicht ausstehen. Er hat es gern richtig hell, weil er schließlich sehen will, was auf seinem Teller liegt. Aber Mum liebt Kerzen.
»Hey«, spreche ich ihn sanft an.
Er versucht, sich zusammenzunehmen, um etwas zu sagen. Gäbe es doch nur ein Fitnesscenter für emotionale Stärkung.
»Komm her«, sage ich und breite meine Arme aus. »Weißt du, was sie uns jetzt empfehlen würde?«
Er schüttelt den Kopf.
»Sie würde sagen, dass wir weinen sollen.«
Mein Dad vergräbt sein Gesicht an meiner Schulter. Ich halte seine bebenden Schultern fest.
»Sie würde uns sagen, das sei erbärmlich und sie wolle richtiges Wehklagen hören.« Ich spreche in seine Haare.
Er schluchzt. Er zuckt auf und ab. Es ist, als würde ich ein riesiges schlagendes Herz halten.
»Sie hat uns auch immer zum Schluckauf ermuntert. Ja. Sie ist Schluckauf-Fan!«
»Oh Sarah«, sagt er.
»Na komm schon«, sage ich und drücke ihn noch fester an mich.
Mein Dad greift nach der Küchenrolle und schnäuzt sich.
»Wo ist denn Simon?«, fragt er.
»Der baut im Wohnzimmer zusammen mit George und Rosie ein Lager auf. Ich denke, er wird einen Film einlegen und es ihnen bequem machen in der Hoffnung, dass sie einschlafen. Sie sind kaputt.«
»Er ist ein guter Mann, Sarah.«
»Hmm. Ich wüsste nicht, was ich ohne ihn tun sollte.«
»Oh Sarah«, seufzt er. »Wann geht er denn nach Brasilien?«
»In anderthalb Wochen«, sage ich.
»Ich bin ja nur ein alter Narr, der nicht viel Ahnung hat …«, sagt mein Dad.
»Das stimmt.« Ich muss lächeln.
»Ich weiß, dass deine Mum im Krankenhaus liegt, aber ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn sie nicht wieder rauskommt.«
»Oh Dad.«
»Ich muss ständig an all das denken, was ich nie gesagt habe.«
»Dad.«
»Du darfst ihn nicht gehen lassen, ohne ihm zu sagen, was du empfindest.«
»Was?«
»Du weißt, was ich meine.«
»Hm.«
Wir schweigen eine Weile.
»Du weißt doch, wie ich Mum kennengelernt habe?«
»Ja. Bei dem Tanzabend im Jugendklub. Du hast Pauline zum Tanz aufgefordert, weil sie die größeren Brüste hatte.«
»Das habe ich immer behauptet. Aber es stimmt nicht. Ich habe deine Mum schon eine Ewigkeit angehimmelt.«
»Ach.«
»Ich habe Pauline auch nicht aufgefordert, weil sie die größeren Brüste hatte.«
»Oh.«
»Das habe ich nur gesagt, weil ich zu stolz war, deiner Mum zu sagen, dass ich sie jahrelang verehrt habe. Und dass ich nur deshalb zuerst ihre Freundin aufgefordert habe, weil ich solche Angst hatte, deine Mum würde mir einen Korb geben.«
»Du alter Narr.«
»Ich sage das, weil ich denke, du hast möglicherweise meinen Stolz geerbt.«
»Dad. Stolz gehört zum Löwen.«
»Lass mich ausreden, Sarah.«
»Entschuldige.«
»Ich möchte ihr so vieles sagen.«
»Das wirst du, Dad.«
»Ich möchte nicht, dass du so bist wie ich. Wenn es etwas gibt, was du jemandem sagen willst, dann wirst du das auch tun, nicht wahr?«
»Natürlich.«
»Ich werde dir jetzt ein kleines Geheimnis anvertrauen. Nur aufgrund der gegebenen Umstände. Die daran Beteiligten werden womöglich nicht mehr lang bei uns sein.
Weißt du eigentlich, wen du nach Mums Meinung die ganze Zeit über geliebt hast?«
Ich schüttele den Kopf. Mein Dad will das nicht gelten lassen.
»Ich glaube, du weißt es.«
»Simon«, flüstere ich, als würde mich jemand foltern.
»Weißt du, das erste Mal, als sie Simon traf, das ist jetzt Jahre her, sagte sie: ›Er ist es. Denk an meine Worte.‹ Das werde ich nie vergessen. Da sah er noch wie ein Junge aus.«
»Dad, ich glaube aber nicht, dass er mich auf diese Weise gern hat. Ich denke, ich habe ihn
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