Oh Happy Dates
meine Mailbox den Anruf übernimmt. Simon steht da und kämpft gegen seinen Pickel. Ich knie mich auf den Boden und schreibe mit einem dicken Filzstift auf ein altes verblichenes Laken. Ich bastle ein Banner für meine Mum, mit dem ich sie nächste Woche beim Marathon anfeuern kann. Ich bin so stolz auf meine Mum. Vor sechs Jahren war mein Großvater sehr krank und kam zu Mum und Dad ins Haus. Meine Mutter kümmerte sich ständig um ihn. Sie meinte, manchmal mache sie es traurig. Doch wann immer sie sich traurig fühlte, wartete sie, bis er eingedöst war, zog dann ihre Laufschuhe an und ging joggen. Anfangs schaffte sie es gerade mal zum Briefkasten am Ende der Straße, aber sie hielt durch, und in einer Woche wird sie zweiundvierzig Kilometer laufen.
»Warum gehst du nicht dran?«
»Ich will mit niemandem reden.«
»Warum schaltest du es dann nicht einfach aus?«
»Weil mein Agent dran sein könnte.« Ich verschwieg ihm, dass ich auch drangehen würde, wenn es eine mir unbekannte Nummer wäre – für den Fall und die geringe Chance, dass Paul drei Wochen lang im Krankenhaus gelegen hatte, jetzt wieder draußen war und mich verzweifelt zum Abendessen einladen wollte. In letzter Zeit musste ich sehr oft an Paul denken. Wann ist der Punkt erreicht, wo man zu hoffen aufhört?
»Du bloggst heute gar nicht?«
»Nein. Ich mache ein Banner für meine Mum.«
»Ist das nicht mein Laken?«
»Oh Entschuldigung, ich dachte, es sei meins.«
»Definitiv meins, es ist eins für ein Doppelbett. Keine Sorge, ich habe es nicht mehr benutzt, seit du es zusammen mit deiner violetten Unterhose gewaschen hast.«
»Tut mir leid, Si.«
»Also mich freut es, Sare, dass du auf bist und deine Umgebung wahrnimmst und nicht bloggend im Bett liegst. Ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht.«
»Ja«, stimme ich ihm traurig zu. Aber ich vermisse meinen Blog. Es ist, als hätte ich eine Freundin verloren. Zugegeben, die Gespräche in dieser Beziehung werden nur von mir geführt, und die Freundin hatte eindeutig einen schlechten Einfluss auf mich, aber ich vermisse sie trotzdem. Ich vermisse meine Abenteuer. Ich vermisse die Kontrolle meines Sitemeters. Ich vermisse sogar, für meine Interpunktion gescholten zu werden. Aber ich finde, dass mich die Tatsache, mir ein sexuelles Abenteuer aus den Fingern gesaugt und diese Lüge dann auch noch zugegeben
zu haben, fürs Bloggen oder für Männer oder eigentlich für alles disqualifiziert.
Mein Telefon klingelt wieder. Bitte lass es Paul sein, der gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Ich bin eine Witzfigur. Paul hatte wochenlang Zeit, mich anzurufen. Und hat es nicht getan. Komm damit klar, Sarah. Es ist nicht Paul. Es ist Julia. Ich gehe nicht dran.
»Sare! Wer ist es denn?«, will Simon wissen.
»Julia.«
»Geh dran.«
»Ich sagte, ich will mit keinem reden.«
»Verdammt noch mal, dann geh ich eben dran.« Simon grapscht sich mein Telefon. »Hallo, hallo, Jules. Madam ist gerade damit beschäftigt, ein Banner für ihre Mum herzustellen. Könnte ich dich vielleicht für einen BMW begeistern?«
Julia brüllt in die Leitung. Simons Körper zuckt vor Julias Megawatt-Ausbruch zurück, und er hält das Telefon von seinem Ohr weg. Wir können sie beide hören. Sie ist so aus dem Häuschen, dass wir nur ein paar ihrer Worte verstehen können.
»Himmel, Jules, du hörst dich an wie Miss Piggy auf Ecstasy«, schreit Simon ins Telefon. »Ich habe kein Wort verstanden. Atme mal durch.«
»Aahohmein Gott EveningStandard Sexxxx EveningStandard SarahSarahohmeinGottSexblogSexRachelBird.«
»Menschenskind! Piggy hat gleich zwei Pillen Ecstasy geschluckt«, kichert Simon. Ich lache. Mir fällt auf, dass ich schon seit Tagen nicht mehr gelacht habe.
»Sarah ist im Standard !!«, wirft Julia kreischend in unser Gelächter ein.
»Warum?«, schreien Simon und ich gleichzeitig ins Telefon.
»Ich bin mit dem Bus gefahren …«
»Mit dem Bus? Hey, Jules, dann hat Big Daddy wohl das Zeitliche gesegnet, und du willst doch eine Testfahrt mit meinem BMW machen«, sagt Simon.
»Big Daddy hat keineswegs das Zeitliche gesegnet, er ruht sich nur ein paar Tage in seiner Garage aus«, erkläre ich Simon.
»Lass mich zu Ende erzählen!«, fordert Julia. »Ich war im Bus, und da las diese Frau vor mir den Standard , und ich konnte erkennen, dass dort ein Artikel über Sexblogs drinstand, aber diese blöde Frau hat sich ständig hin und her bewegt. Aber als sie ausstieg, habe ich mir die Zeitung
Weitere Kostenlose Bücher