Ohne Abkommen (Die Ratte des Warlords III) (German Edition)
und die meisten waren längst assimiliert und bezeichneten sich wie die anderen Weißen als Afrikaaner.
Roberto jedoch, obwohl hier geboren, beherrschte nicht nur die Sprache seiner Vorfahren auf hohem Niveau – er fühlte sich als Italiener. Weil sein Vater eine italienische Macht repräsentierte, die ihren Einfluss beständig auf die ganze Welt ausdehnte. Der Codex der 'Ndrangheta wurde in seinem Clan, zu dem sich einzelne Johannesburger Familien zusammengeschlossen hatten, nicht nur befolgt, er wurde gelebt. Man sprach Italienisch und heiratete nur untereinander, denn die Bande des Blutes waren die stärksten überhaupt. Außenstehende hatten keinen Zutritt zu dieser Welt. Den wegen der Geschäfte nötigen Kontakt nach Außen reduzierte man auf das maximal mögliche Minimum.
Seit mehr als fünfundzwanzig Jahren leitete Robertos Vater als Associazione den Rat der Familienoberhäupter. Und Roberto trug schon die Tätowierung des fünfzackigen Sterns, das Erkennungszeichen eines Quintino. Nur wenige ’ndrinu, wie sich die Clan-Mitglieder nannten, wurden in diesen Rang berufen, der mit vielen Vorrechten, aber auch mit Pflichten verbunden war.
Roberto war stolz darauf, schon mit dreißig ein Quintino zu sein. Er war einer der beiden Stellvertreter des Dons, er hatte Macht und er genoss sie. Und er liebte die Vergnügen des Lebensstils, die ihm seine Position bot, und er zelebrierte gern das gewiefte Spiel gegen die Polizei. Und bald würde er Associazione werden. Auf dieses Amt bereitete er sich mit selbstloser Hingabe vor.
Das musste er auch, seit dem Ende der Apartheid pochten schwarze Banden, die bis dahin mehr in Revierstreitigkeiten untereinander verwickelt waren, nun darauf, Teile an Geschäften zu bekommen, die ihnen bis dato allein aufgrund ihrer Hautfarbe verwehrt waren. Das galt für alle farbigen Gruppierungen, und es war schwierig für die Familie geworden, ihre Position in dieser neuen Ordnung zu behaupten. Viele Weiße, zu denen man gute Kontakte gepflegt hatte, wurden durch idealistische Schwarze ersetzt, die keine Mafia im neuen Südafrika haben wollten. Diese Edelmenschen begriffen einfach nicht, dass das Verbrechen nicht auszurotten war. Und dass wenn sie das Machtgefüge der Unterwelt zerstörten, es einen Krieg heraufbeschwor – weil es immer Leute gab, die höher und weiter wollten. Immer wieder versuchten einige der neuen Landesherren, das Verbrechen ans Tageslicht zu zerren und ihm den Garaus zu machen.
Die Schäden, die die Polizei der Familie seitdem hatte zufügen können, waren herbe Schläge. Aber letztendlich hatten die Melandris ihre Position gefestigt und sogar ausgebaut. Denn zwar nicht alle, aber die meisten Idealisten sahen irgendwann ein, dass sie für Träume weder etwas zu essen, noch ein anständiges Haus oder ein gutes Auto kaufen konnten. Und dass es profitabel war, wenn sie die 'Ndrangheta in Ruhe ließen. Don Marcello hatte seinen Clan gut organisiert und führte ihn dermaßen clever, dass beide Seiten sich arrangieren konnten. Der Staat hielt sich bedeckt, solange das Verbrechen unauffällig blieb. Es gab zwar Ermittlungen, aber eigentlich nur, um den Schein zu wahren. Und um sie einstellen zu können, denn das honorierte Marcello sehr großzügig. Es gab natürlich auch unbestechliche Polizisten, aber sie wurden meist durch die Vorschriften des Gesetzes zermürbt, das sie vehement durchzusetzen versuchten. Roberto konnte sich schon gar nicht mehr erinnern, wann man einen ehrlichen und sturen Ermittler mit Gewalt von seinem Vorhaben hatte abbringen müssen.
Genau diese Fähigkeiten seines Vaters wollte Roberto sich auch aneignen. Und er war gut darin. Den Rang des Picciotti, eines Soldaten, hatte er nur kurz innegehabt, und wurde für herausragende kriminelle Verdienste gleich über die nächsten drei Grade hinweg zum Santista befördert, und schon bald darauf schwor er als Vangelista mit der Hand auf dem Evangelium der Organisation ewige Treue. Es hatte nichts damit zu tun, dass er der einzige Sohn des Dons war, sondern, weil er die sieben Regeln, die das Leben des ’ndrina, des Clans bestimmten, mit der Muttermilch aufgesogen hatte. Bedingungslos befolgte er Il Cotello , die Regel, die besagte, dass die Interessen der 'Ndrangheta an erster Stelle stehen und bis in den Tod beschützt werden mussten, und Fedelta , die Treue bis in den Tod. Mit Umilta , der Demut, hatte er Schwierigkeiten, aber nur in Bezug auf die einfache Bevölkerung, niemals anderen Ehrenwerten
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