Ohne Chef ist auch keine Loesung
Dank absenden.
Aber auch hier geht es nicht nur um Dank und Lob. Auch Ihr Chef möchte mit dem, was er ist und tut, als individueller Mensch
wahrgenommen werden. Wie bewusst nehmen Sie wahr, was er alles den ganzen Tag über tut? Wie signalisieren Sie ihm,
dass
Sie es wahrnehmen? Im Zweifel knausert sein eigener Vorgesetzter auch mit Lob – und Ihr Chef erhält keine Anerkennung dafür,
wenn er etwas gut gemacht hat. Nichts spricht dagegen, liebe Mitarbeiter, dass auch Sie Ihrem Chef signalisieren, wenn er
Sie mit etwas beeindruckt hat.
Das Gleiche gilt auch für den Umgang mit den Kollegen. Es ist absolut erlaubt, sich auch auf gleicher Ebene gegenseitig anzuerkennen.
»Ich fand das sehr treffend, was du heute Morgen in der Sitzung gesagt hast.« Eine fruchtbare Anerkennungskultur können wir
nur alle gemeinsam schaffen. Probieren Sie’s aus.
Die x-mal-drei-Sekunden-Rechnung
Wie können wir nun aus diesen Erkenntnissen einen gesunden Mittelweg ableiten? Wir machen aus der ×-mal-drei-Minuten-Rechnung
eine ×-mal-drei-Sekunden-Rechnung.
Wie beide Seiten gewinnen
Sie, liebe Chefs, streichen den Grundsatz »Nicht geschimpft ist auch gelobt« ebenso aus Ihrem Kopf wie den Glauben, Ihre Mitarbeiter |123| könnten Ihre Gedanken lesen. Sie denken daran, dass am anderen Ende ein Mensch wie Sie selbst sitzt, der wissen will,
ob Sie ihn wahrnehmen,
ob seine Arbeit Sie erreicht hat,
ob seine Arbeit Sie zufrieden gemacht hat.
Wenn Ihnen dieser Mitarbeiter zum Beispiel per E-Mail ein Arbeitsergebnis schickt, dann ist das Mindeste, was er mit Fug und
Recht erwarten kann, eine Reaktion wie diese: »Besten Dank, alles in Ordnung.« Das kostet Sie drei Sekunden. Selbst wenn Sie,
was dann doch unwahrscheinlich ist, jeden Tag von 300 Mitarbeitern Arbeitsergebnisse bekommen, sieht die obige Rechnung nur
noch so aus:
300 × 3 Sekunden = 900 Sekunden = 15 Minuten
Und 15 Minuten am Tag, um Ihren Mitarbeitern zu zeigen, dass sie wahrgenommen werden, um sie im richtigen Verhalten zu bestärken
– diese Investition ist wahrlich nicht zu groß.
Und Sie, liebe Mitarbeiter, lernen bitte, diese Form der Anerkennung als die im Alltagsgeschäft meist einzig praktikable Form
ebenfalls, nun ja: anzuerkennen. Wenn Ihnen das nicht reicht und Sie meinen, der Chef müsste Ihnen für jeden Handgriff ein
Denkmal setzen – dann nehmen Sie ganz schnell den Postboten-Test von Seite 118 f. zur Hand und beantworten noch einmal die
Fragen.
Ein kostenloser Wundersatz
Bedeutet »Anerkennung« nun immer das große Lob? Beileibe nicht! Ganz im Gegenteil – Untersuchungen zeigen, dass allzu |124| häufiges und allzu überschwängliches Loben manchmal genau das Gegenteil dessen bewirkt, was wir oben beschrieben haben: Der
Gelobte nimmt es als unaufrichtig wahr, als leichtfertig verteilt. Das Lob verliert dann an Wert; der Gelobte kommt sich nicht
ernst genommen vor. Man nennt einen solchen kontraproduktiven Effekt des Lobs das »Meyer-Paradigma«. Der Psychologe Wulf-Uwe
Meyer hat ihn in Experimenten mit Schülern nachgewiesen: Je mehr Lob die Schüler auch für einfache Arbeiten bekamen, desto
mehr glaubten sie, ihr Lehrer halte sie für dumm.
Auch nutzt das Lob sich dann schnell ab, wie der Neurobiologe Gerald Hüther in der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung
erklärt: »Auch die Belohnungen müssen im Lauf der Zeit größer werden. In diesen Belohnungsspiralen reiben sich viele Führungskräfte
auf.«
In diese Spirale brauchen wir uns aber erst gar nicht zu begeben. Anerkennung bedeutet im Kern einfach nur: dem anderen zeigen,
dass man ihn und das, was er tut, wahrnimmt. Dass man ihn als individuellen Menschen mit individuellen Bedürfnissen bemerkt.
In der Psychologie sprechen wir daher auch vom »beschreibenden Loben«. Es besteht darin, dass wir jemanden bei guten Leistungen
»ertappen« und auf frischer Tat »zur Rede stellen«. Das kann ein kurzer Satz auf dem Flur sein: »Ich habe gesehen, wie geschickt
Sie diese verzwickte Kundenreklamation gelöst haben, Frau Schwalbe.« Dieser magische Satz sollte jedem leicht über die Lippen
gehen. Er lässt sich ebenfalls in drei Sekunden sagen und passt deshalb hervorragend in unsere x-mal-drei-Sekunden-Rechung.
Am glaubhaftesten kann ein indirektes Lob sein: Die Chefin sagt den Satz nicht direkt zu Frau Schwalbe, sondern bemerkt in
der Kaffeeküche gegenüber Herrn Kleiber: »Frau Schwalbe hat das ja prima gelöst.« Meinen Sie, Frau Schwalbe
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