Ohne Chef ist auch keine Loesung
alle einfallen, auch wenn sie schon Jahre zurückliegen. So kraftvoll wirkt das Lob auf uns – dass wir es nie wieder vergessen,
dass wir über das Lob unsere Stärken finden und uns für immer anstrengen, diese Stärken zu zeigen und auszubauen.
Dieses Phänomen haben Psychologen schon vor über 100 Jahren entdeckt und Konditionierung genannt. Konditionierung besagt,
dass die Reaktionen auf unser Verhalten darüber entscheiden, ob wir uns auch in Zukunft so verhalten. Jeder kennt das aus
dem Tierreich oder sogar aus dem unmittelbaren Haustierreich: Wenn Ihr Hund Ihnen Pfötchen gibt und Sie ihn danach mit Leckerli
belohnen, dann wird er Ihnen wieder Pfötchen geben. Denn er weiß: Dann gibt es auch wieder eine Belohnung.
|112| Lob – die billigste Droge
Die Macht des Lobes lässt sich sogar chemisch nachweisen: Neurobiologen haben herausgefunden, dass das Lob ähnlich funktioniert
wie starke psychoaktive Stimulanzien. Solche Stimulanzien wirken auf das Nervensystem, steigern das Denktempo und die Konzentration.
Sie erzeugen ein Hochgefühl bei der Arbeit – das sich unmittelbar dadurch auswirkt, dass wir stärker motiviert sind und produktiver
arbeiten. Zu diesen Substanzen gehört etwa Kokain.
Die billigere, legale und vor allem gesunde Alternative zum Kokain ist das Lob: Es führt dazu, dass unser Körper Opiate ausschüttet,
die sogenannten Endorphine. Unser Belohnungszentrum wird aktiviert; es setzt ein Rausch ein, der uns bei der Arbeit beflügelt
und die Leistungsbilanz unserer Abteilung in die Höhe treibt.
So positiv das Lob wirkt, so negativ wirkt das Schweigen: Wenn wir auf unsere Arbeit kein Lob – oder noch schlimmer, aber
leider nicht seltener: überhaupt keine Reaktion – erhalten, dann müsste die fehlende Konditionierung eigentlich dazu führen,
dass wir die Arbeit einstellen. Wir wiederholen nur das, wofür es Leckerlis gibt; in diesem Punkt funktionieren wir nicht
anders als unser Haustier.
Aber Sie können die Arbeit nicht einfach einstellen, denn der Arbeitsvertrag verpflichtet Sie ja dazu, zu arbeiten! Ihr Chef
fordert und erwartet also etwas von Ihnen – aber wenn Sie seine Erwartungen erfüllen, bekommen Sie keine Reaktion von ihm.
Sie werden dann unsicher und beginnen, an sich selbst zu zweifeln: »Was habe ich denn falsch gemacht?« Sie fühlen sich hilflos
und unsicher. Die Motivation schwindet. Und wie Sie sich ein vielleicht winziges Lob oft für den Rest Ihres Lebens merken,
so vergessen Sie auch die winzige Kritik nicht mehr.
|113| 90 Prozent der Arbeitgeber wissen um diese Zauberkraft des Lobes, fand die Unternehmensberatung Weissmann & Cie. in einer
Umfrage heraus. Trotzdem wenden Chefs das Zaubermittel Lob nur selten an – und meist eben viel zu spät, wie in unserer Beispielsgeschichte.
Und ein zu spätes Lob wirkt sich auf das Arbeitsverhältnis aus wie gar kein Lob. Von der »Lobwüste Deutschland«, von einer
»Loblücke« sprach Bernhard Borgeest daher in einer Titelgeschichte des
Focus
, die er »Richtig loben!« nannte.
Nicht zu Unrecht: Die Jobbörse Stepstone hat unter dem Titel
Is Your Work Important?
eine Umfrage unter mehr als 10 000 Europäern durchgeführt. Sie fragte: »Ist Ihre Arbeit bedeutungsvoll?« In Deutschland waren
sich nur 28 Prozent der Befragten sicher, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird. Doppelt so viele, nämlich 56 Prozent, glaubten
hingegen nicht, dass der Arbeitgeber ihre Arbeit schätzt. Vielleicht am traurigsten ist sogar, dass immerhin 16 Prozent mit
»Ich weiß nicht« antworteten – ihnen bietet der Chef keine Reaktion, an der sie auch nur im Entferntesten ablesen könnten,
wie er mit ihrer Arbeit zufrieden ist. Deutschland ist damit der Spitzenreiter der ungeschätzten Arbeit, und zwar mit riesigem
Abstand. Auf Platz 2 folgt Schweden – dort gaben »nur« 31 Prozent zu Protokoll, keine Wertschätzung für ihre Arbeit zu erfahren.
In einer Umfrage der Initiative Neue Qualität der Arbeit, unterstützt von Bund und Ländern, gaben 61 Prozent der Befragten
sogar an, »nie oder selten Anerkennung für ihre Arbeit zu erfahren«. Und eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung belegt, dass
sich etwa 60 Prozent der Deutschen im Beruf nicht ausreichend gewürdigt sehen. Um es mit dem O-Ton eines Vorgesetzten zu sagen,
mit dem wir für dieses Buch sprachen: »Wer sich Dankbarkeit wünscht, soll sich einen Hund zulegen!«
|114| Und auch wir haben bei unseren Recherchen für dieses Buch
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