Ohne Chef ist auch keine Loesung
bekommt das |125| zugetragen? Darauf können Sie wetten! Alles, was die Chefin irgendwo über irgendjemanden sagt, wird weitergetragen. Das gehört
zu den sichersten Regeln jeder Unternehmenskultur. Und Frau Schwalbe wird sich ganz besonders über dieses indirekte Lob freuen,
da es noch weniger im Verdacht steht, nur ein Höflichkeitslob zu sein.
Anerkennung kann auch darin bestehen, dass der Chef dem Mitarbeiter eine besondere, anspruchsvolle Aufgabe zutraut – und ihm
damit signalisiert, dass er bestimmte Stärken bei dem Mitarbeiter wahrgenommen hat. Oder dass er der alleinerziehenden Mutter
ein bisschen flexiblere Arbeitszeiten einräumt – und ihr damit zeigt, dass er sie nicht als Standard-Personalnummer, sondern
als Unikat mit individuellen Lebensumständen wahrnimmt. Der Wunsch nach flexibler Arbeitszeit ist im tiefsten Herzen der Wunsch,
als ein Mensch, ein Individuum wahrgenommen zu werden. »Jeder Mensch möchte bedeutsam sein«, fasst die Arbeitsmedizinerin
Susanne Wolf diesen tiefen Wunsch in der
Frankfurter
Allgemeinen Zeitung
zusammen.
Aber Vorsicht: Auch hier dürfen wir den Perspektivwechsel nicht vergessen! Wenn wir alle den Chef bitten, mittags vom Home
Office aus arbeiten zu dürfen, würde der Bürobetrieb wahrscheinlich zusammenbrechen. Auch unsere individuellen Bedürfnisse
schwimmen eben nur mit im riesigen Meer der Bedürfnisse der Menschen, mit denen wir uns das Leben auf dieser Welt teilen.
Und können deshalb auch nur eine begrenzte Ration an Aufmerksamkeit erwarten.
Auch die kurze, aber regelmäßige Rückmeldung auf Arbeitsergebnisse, wie wir sie oben beschrieben haben (»Besten Dank, bin
zufrieden«), führt sicherlich nicht in eine destruktive Lobspirale. Aber sie schenkt einem Menschen die Beachtung, die er
als Mensch verdient.
|126| Nach diesem Abschnitt ist auch klar, warum ein allgemeines Lob wirkungslos verpufft. Wenn der Chef bei der Weihnachtsfeier
»das gesamte Team zu der grandiosen Leistung im vergangenen Jahr« beglückwünscht – dann bewirkt er damit genau das Gegenteil
dessen, was die Menschen brauchen: Denn er nimmt sie nicht als Individuen wahr, sondern als gleichartige Masse.
Aus demselben Grund taugt auch das Gehalt nur bedingt als Anerkennungsinstrument. Selbstverständlich ist ein hohes Gehalt
auch ein Kompliment an den Mitarbeiter, das eine messbare Wertschätzung seiner Arbeit enthält. Aber die Geldauszahlung ist
einfach auch zu standardisiert, als dass der Chef mit ihr signalisieren könnte: Ich bemerke dich und das, was du tust. Sie
kann in ihrer Wirkung dem magischen – und sogar kostenlosen – Satz auf dem Flur nicht das Wasser reichen.
Alle paar Tage finden Sie in Zeitungen Studien, bei denen Mitarbeiter danach gefragt wurden, was ihnen bei der Arbeit wichtig
ist. Achten Sie einmal darauf: Sie werden dort regelmäßig die »persönliche Anerkennung« als eigenständigen Faktor neben –
und in der Rangfolge meist sogar noch vor – dem »angemessenen Gehalt« finden. Die gerechte Entlohnung, wie wir sie in Kapitel
1 besprochen haben, und die persönliche Wertschätzung ergänzen sich also gegenseitig – eins ohne das andere funktioniert nicht.
Kritik? Aber bitte mit Sahne!
Doch nun genug des Lobs. Sie werden zugeben, liebe Mitarbeiter, dass Sie ja den lieben langen Tag nicht ausschließlich lobenswerte
Heldentaten vollbringen. Wenn Sie – wie wir – ein Mensch aus |127| Fleisch und Blut sind, wird Ihnen hin und wieder auch mal ein klitzekleiner Fehler unterlaufen.
Und wie schaut es denn mit der negativen Form des Lobs aus, mit der Kritik? Kritik hören wir alle ja gar nicht gerne! Gerade
als Mitarbeiter empfinden es viele als Zumutung, wenn sie sich den ganzen Tag abrackern und als Dank von der Chefin dann auch
noch eins auf den Deckel bekommen. Meist wegen einer Kleinigkeit, wie sie es jedenfalls selbst empfinden.
Eine junge Frau aus der Marketingabteilung eines großen Unternehmens berichtete uns Folgendes:
»Die Website sollte komplett relauncht werden. Vier Monate lang habe ich viele Überstunden dafür gemacht. Oft saß ich bis
in die Nacht hinein an Entwürfen, habe meinem Chef immer wieder neue Varianten präsentiert, bis er endlich mal zufrieden war.
Ständig wollte er noch Kleinigkeiten ändern, und ich habe ihm jeden Wunsch erfüllt.
Dann kam der Tag X: Die neue Seite ging ins Netz. Eine Stunde später klingelte mein Telefon. Mein Abteilungsleiter bestellte
mich in sein
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