Ohne dich kein Sommer - Roman
Kuss.«
»Du hattest keine näheren Angaben gemacht«, sagte ich. Meine Wangen glühten.
»Komm schon, Bells«, sagte Jeremiah. »Unser letzter Kuss war anders.«
In dem Moment kam Conrad wieder ins Zimmer. Während er sich noch die Hände an den Jeans abwischte, fragte er: »Was quatschst du da, Jere? Ich dachte, du hättest ’ne Freundin?«
Ich sah Jeremiah an, der knallrot anlief. »Du hast eine Freundin?«, fragte ich. Ich hörte selbst, wie vorwurfsvoll meine Stimme klang, und das ärgerte mich. Schließlich schuldete Jeremiah mir ja nichts. Er gehörte mir nicht. Und doch gab er mir immer so ein Gefühl.
So viel Zeit hatten wir jetzt miteinander verbracht, und mit keinem Wort hatte er erwähnt, dass er eine Freundin hatte. Ich konnte es nicht glauben. Anscheinend war ich nicht die Einzige, die Geheimnisse für sich behielt, und der Gedanke machte mich traurig.
»Wir haben Schluss gemacht. Sie geht nach Tulane aufs College, und ich bleibe hier in der Gegend. Wir haben beschlossen, dass es keinen Sinn hat zusammenzubleiben.« Er warf Conrad einen bösen Blick zu, bevor er mich wieder ansah. »Außerdem ging das schon länger hin und her. Sie ist ein ziemlich durchgeknallter Typ.«
Die Vorstellung, dass Jeremiah mit einem ziemlich durchgeknallten Mädchen zusammen war, passte mir gar nicht, und auch nicht, dass sie ihm immerhin so gut gefiel, dass er mehrmals zu ihr zurückgekehrt war. »Und, wie heißt sie?«, fragte ich.
Er zögerte. »Mara«, sagte er schließlich.
Der Alkohol in meinem Blut machte mich mutig genug für die nächste Frage: »Liebst du sie?«
Dieses Mal zögerte er nicht. »Nein«, antwortete er.
Ich spielte mit einem Stück Pizzakruste und sagte: »Okay, ich bin dran. Conrad, Wahrheit oder Pflicht?«
Conrad lag bäuchlings auf der Couch. »Ich hab nie gesagt, dass ich mitspiele.«
»Feiges Huhn!«, sagten Jeremiah und ich unisono.
»Zwei Doofe, ein Gedanke«, sagten wir dann, wieder unisono.
»Wie alt seid ihr eigentlich – zwei?«
Jeremiah sprang auf und vollführte seinen Hühnertanz. »Tock, tock, tock.«
»Wahrheit oder Pflicht?«, wiederholte ich.
Conrad stöhnte. »Wahrheit.«
Vor lauter Freude darüber, dass Conrad nun doch mitspielte, fiel mir keine gescheite Frage ein. Natürlich gab es tausendundein Ding, das ich ihn gern gefragt hätte. Was mit uns passiert sei, oder ob er je etwas für mich empfunden habe, ob irgendetwas an der ganzen Sache je konkret gewesen sei. Aber all das konnte ich nicht fragen, das war mir durchaus klar, selbst mit diesem leichten Tequila-Nebel in meinem Kopf.
Stattdessen fragte ich: »Erinnerst du dich noch an dieses Mädchen, das damals an der Strandpromenade arbeitete? Angie?«
»Nein«, sagte er, aber ich wusste, das war gelogen. »Was ist mit ihr?«
»Hattest du je was mit der?«
Jetzt hob Conrad doch noch den Kopf. »Nein.«
»Glaub ich dir nicht.«
»Ich hab’s versucht, einmal, aber ich bin bei ihr abgeblitzt. So eine sei sie nicht, hat sie gemeint. Ich glaube, sie war Zeugin Jehovas oder so was.«
Jeremiah und ich prusteten los. Jeremiah musste so lachen, dass er vornüberkippte. »O Mann«, keuchte er, »das ist ja Wahnsinn.«
Das war es wirklich. Natürlich kam es nur daher, dass er schon diverse Biere geleert hatte, aber trotzdem: dass Conrad mal ein bisschen lockerer wurde, irgendwas von sich erzählte – das war tatsächlich der reine Wahnsinn. Ein Wunder war das.
Conrad stützte sich auf einen Ellbogen. »Okay, ich bin dran.«
Er sah mich an, als wären wir die einzigen Menschen im Raum, und plötzlich überkam mich Angst. Gleichzeitig war ich in einer Art Hochstimmung. Aber dann warf ich einen Blick zu Jeremiah hinüber, der uns genau beobachtete, und genauso plötzlich waren beide Gefühle weg.
Ernst sagte ich: »Nichts da, du kannst mich nicht fragen, weil ich nämlich dich eben gefragt habe. Das wäre gegen das Gesetz.«
»Das Gesetz?«, wiederholte er.
»Ja doch«, sagte ich und lehnte den Kopf an die Couch.
»Bist du denn gar kein bisschen neugierig, was ich dich fragen wollte?«
»Nö, nicht für fünf Cent.« Was gelogen war. Natürlich wollte ich es wissen. Ich kam fast um vor Neugier.
Ich griff nach der Flasche, goss mir etwas Tequila nach und stand mit weichen Knien auf. Ich fühlte mich, als hätte ich Watte im Kopf. »Auf unseren letzten Abend!«
»Darauf haben wir schon getrunken«, sagte Jeremiah. »Schon vergessen?«
Ich streckte ihm die Zunge raus. »Na schön.« Wieder machte der
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