Ohne dich kein Sommer - Roman
eine Familie gewesen. »Deine Eltern haben sich ja nicht mal gezankt«, sagte sie, und es klang ziemlich verächtlich.
Ich wusste, was sie meinte, ich machte mir ja selbst Gedanken darüber. Wie war es möglich, dass zwei Menschen, die sich einmal leidenschaftlich geliebt hatten, nicht einmal mehr stritten? Waren sie einander so gleichgültig, dass sie weder miteinander noch um ihre Ehe kämpfen wollten? Hatten sie sich je wirklich geliebt? Hatte meine Mutter je dasselbe für meinen Dad empfunden, was ich für Conrad empfand? Dieses verrückte, lebendige, zärtliche Gefühl, das wie ein Rausch sein konnte? Solche Fragen gingen mir ständig durch den Kopf.
Ich wollte nicht dieselben Fehler machen wie meine Eltern. Ich wollte nicht, dass meine Liebe wie eine alte Narbe mit der Zeit immer blasser wurde. Ich wollte, dass sie für immer loderte.
29
Als ich schließlich wieder nach unten ging, war es draußen dunkel geworden und Jeremiah zurück. Er und Conrad saßen auf der Couch vor dem Fernseher, als hätte es den Streit nie gegeben. Vermutlich ging das bei Jungs so. Wenn Taylor und ich Krach hatten, waren wir mindestens eine Woche lang stinksauer aufeinander, und es gab jedes Mal einen Machtkampf darüber, bei wem von uns welche Freundinnen verblieben. »Auf wessen Seite stehst du?«, wollten wir von Katie oder Marcy wissen. Wir sagten gemeine Sachen, die man nicht zurücknehmen konnte, und dann weinten wir und versöhnten uns wieder. Ich bezweifelte stark, dass Conrad und Jeremiah geweint und sich wieder versöhnt hatten, während ich oben gewesen war.
Ich fragte mich, ob Jeremiah mir auch vergeben hatte – dass ich etwas geheim gehalten hatte, dass ich mich nicht auf seine Seite gestellt hatte. Es stimmte ja, wir waren gemeinsam hergekommen, als Partner, als Team, aber als er mich brauchte, hatte ich ihn im Stich gelassen. Einen Moment lang blieb ich am Fuß der Treppe stehen, unsicher, ob ich ins Wohnzimmer gehen sollte oder nicht, doch dann schaute Jeremiah auf, und ich wusste, mir war vergeben. Jeremiah schenkte mir ein Lächeln, ein echtes, und so ein echtes Jeremiah-Lächeln könnte jedes Eis zum Schmelzen bringen. Ich lächelte zurück, wahnsinnig dankbar.
»Gerade wollte ich dich holen kommen«, sagte er. »Wir machen eine Party.«
Auf dem Couchtisch stand ein Pizzakarton. »Eine Pizza-Party?«, fragte ich.
Susannah hatte ganz oft Pizzapartys für uns veranstaltet, als wir klein waren. Bei ihr gab es nicht einfach »Pizza zum Abendessen«, sondern gleich eine Pizzaparty. Doch dieses Mal hatten wir Bier dazu. Und Tequila. Das war er also, unser letzter Abend. Schade nur, dass Steven nicht dabei war, es hätte sich richtiger angefühlt. Wir vier wieder zusammen, fast komplett.
»Ich hab im Ort ein paar Leute getroffen. Die kommen später, und dann machen wir ein Fass auf.«
»Ein Fass?«, echote ich.
»Na – ein Fass eben. Bier.«
»Ah, klar«, sagte ich. »Ein Fass.«
Dann setzte ich mich auf den Boden und schlug den Deckel des Pizzakartons auf. Ein einziges Stück, und zwar ein kleines, das war alles, was noch übrig war. »Ihr seid so was von mies!«, sagte ich, bevor ich es mir schnell in den Mund stopfte.
»Ups, tut mir leid«, sagte Jeremiah. Dann ging er in die Küche, und als er zurückkam, hatte er drei Tassen dabei. Eine, die er in der Ellbogenbeuge balancierte, gab er mir. »Prost!«, sagte er. Auch Conrad bekam eine. Ich schnüffelte misstrauisch an der hellbraunen Flüssigkeit, auf der ein Limettenschnitz schwamm. »Riecht ganz schön stark«, sagte ich.
»Weil es Tequila ist« , sang er. Er hob seine Tasse. »Auf unseren letzten Abend«, sagte er.
»Auf unseren letzten Abend«, wiederholten Conrad und ich.
Die beiden leerten ihre Tassen auf einen Zug. Ich nahm einen winzigen Schluck. Es war mein erster Tequila, aber er schmeckte gar nicht so übel. Also kippte ich den Rest schnell hinterher. »Echt lecker«, sagte ich. »Und überhaupt nicht stark.«
Jeremiah prustete los. »Deiner besteht ja auch zu fünfundneunzig Prozent aus Wasser.«
Conrad lachte mit, und ich funkelte die beiden böse an. »Das ist nicht fair«, moserte ich. »Ich will dasselbe haben wie ihr.«
»Tut mir leid«, antwortete Jeremiah und ließ sich neben mir auf den Boden fallen. »Kein Ausschank an Minderjährige.«
Ich boxte ihn in die Schulter. »Du bist auch minderjährig.«
»Schon, aber du bist noch viel minderjähriger«, sagte er. »Meine Mom würde mich umbringen.«
Es war das erste Mal, dass
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