Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
Vom Netzwerk:
mich?«
    Rolly besah sich die Stapel auf seinem Schreibtisch. Berichte, Evaluationen, Budgetkalkulationen. Er ertrank in Papierkram. »Mit einer Minute kann ich dir leider nicht dienen. Aber ein Stündchen könnte ich durchaus erübrigen.«
    »Klingt genau richtig.«
    »Hast du schon Mittag gemacht?«
    »Nein.«
    »Dann lass uns im ›Stonebridge‹ essen. Du fährst. Sonst rase ich womöglich noch vor den nächsten Baum. Vorsätzlich.« Er streifte sich seine Jacke über und gab seiner Sekretärin Bescheid, er sei jetzt beim Lunch, aber über sein Handy erreichbar, falls die Schule plötzlich in Flammen stünde. »Dann weiß ich wenigstens, dass ich mir den Rückweg sparen kann«, sagte er.
    Die Sekretärin entgegnete, sie habe den Schulrat in der Leitung, worauf Rolly mir bedeutete, ich solle kurz auf ihn warten, es würde nicht lange dauern. Als ich vor die Tür trat, stieß ich mit Jane Scavullo zusammen, die wie ein geölter Blitz über den Flur fegte – womöglich um einem anderen Mädchen mal wieder ordentlich die Fresse zu polieren.
    Die Bücher, die sie dabeihatte, polterten zu Boden. »Verdammte Scheiße!«, platzte sie heraus.
    »Sorry«, sagte ich und kniete mich hin, um ihr beim Aufsammeln zu helfen.
    »Nicht nötig«, gab sie zurück und beeilte sich, die Bücher aufzuklauben, ehe ich ihr zuvorkam. Aber sie war nicht schnell genug. Ich hielt bereits Bad Girls in der Hand, das Buch von Joyce Carol Oates, das ich ihr kürzlich empfohlen hatte.
    Sie wand es mir aus der Hand und steckte es zu den anderen. »Und?«, fragte ich. »Gefällt’s dir?«
    »Ich find’s gut«, sagte Jane. »Die Mädchen in dem Buch sind echt total abgefuckt. Wieso meinten Sie, ich sollte das Buch lesen? Glauben Sie, ich bin genauso kaputt?«
    »So kaputt sind die Mädchen in dem Buch nun auch wieder nicht«, sagte ich. »Und nein, ich glaube nicht, dass du so bist wie sie. Ich habe mir bloß gedacht, das Buch könnte dir gefallen.«
    Sie ließ eine Kaugummiblase platzen. »Kann ich Sie mal was fragen?«
    »Klar.«
    »Warum interessiert Sie das eigentlich?«
    »Was?«
    »Na ja, was für Bücher ich lese. Und meine Aufsätze und so.«
    »Glaubst du, ich bin bloß wegen der vielen Kohle Lehrer geworden?«
    Um ein Haar hätte sie gelächelt, bremste sich aber. »Ich muss los«, sagte sie und ließ mich einfach stehen.
    Als Rolly und ich ins »Stonebridge« kamen, war dergroße Mittagsansturm bereits vorbei. Er bestellte einen Shrimpscocktail und ein Bier, ich eine Muschelsuppe mit Brot und einen Kaffee.
    Rolly erzählte, er und seine Frau hätten sich entschlossen, ihr Haus baldmöglichst zu verkaufen; der Caravan war zwar auch nicht ganz preiswert, aber es würde genug übrig bleiben, um ein sorgenfreies Leben führen zu können. Das Geld konnten sie sparen oder investieren, und ein Boot konnten sie sich ebenfalls problemlos leisten – er träumte mit offenen Augen vom Fischen auf dem Manatee River. Es war fast so, als hätte er seinen Beruf als Schuldirektor bereits an den Nagel gehängt.
    »Ich muss mit dir reden«, sagte ich.
    Rolly nahm einen Schluck von seinem Bier. »Wegen Lauren Wells?«
    »Quatsch«, sagte ich verblüfft. »Wie kommst du denn darauf?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe gesehen, wie du auf dem Flur mit ihr geredet hast.«
    »Die Frau ist eine echte Nervensäge«, sagte ich.
    Rolly lächelte. »Eine ziemlich gut gebaute Nervensäge.«
    »Ich habe keine Ahnung, was sie will. Anscheinend hält sie Cyn und mich für so was wie Promis. Bevor wir im Fernsehen waren, hat Lauren so gut wie nie mit mir gesprochen.«
    »Gibst du mir ein Autogramm?«, sagte Rolly.
    »Haben wir gelacht«, sagte ich. Ich hielt kurz inne, um ihm zu signalisieren, dass ich die Gangart wechselte. »Für Cyn warst du immer so etwas wie ein Onkel. Duhast dich rührend um sie gekümmert. Und nicht zuletzt hast du ja auch immer ein offenes Ohr für meine Wenigkeit.«
    »Komm schon, Terry. Was ist los?«
    »Ich frage mich, ob Cynthia allmählich verrückt wird«, sagte ich.
    Rolly stellte das Glas zurück auf den Tisch und leckte sich über die Lippen. »Geht ihr nicht sowieso schon zu einer Therapeutin?«
    »Ja, zu Dr. Kinzler. Alle zwei Wochen.«
    »Hast du mal mit ihr darüber geredet?«
    »Nein. Das Ganze ist ziemlich verzwickt. Nun gut, manchmal spricht sie getrennt mit uns, und da könnte ich schon damit herausrücken. Ich kann es bloß nicht an einer bestimmten Sache festmachen. Es sind lauter Kleinigkeiten, die sich

Weitere Kostenlose Bücher