Ohne Ende Leben - Roman
nuklear!« Sie seufzt. »Ich hab seit Ewigkeiten versucht, ›nuklear‹ zu pushen – mindestens drei Wochen lang –, aber bis jetzt steht auf allen Bewertungsformularen, dass dafür die Zeit noch nicht gekommen ist. Manchmal bin ich so weit voraus, dass mich niemand mehr einholt.«
Als wir das Büro verlassen, bin ich offizieller Kandidat für
Was ist dein Talent?
, das um halb vier aufgenommen wird. Iphigenia nimmt mich mit, um die Showleute zu treffen und ein Formblatt zu unterschreiben, auf dem steht, dass ich sie für nichts, was mir während ihrer Show passiert, haftbar machen werde. Drei Meter entfernt sitzt Parker Day in seinem Sessel und lässt sich von einem Stylisten das Haar machen und das Make-up auftragen. Währenddessen telefoniert er per Handy – das ihm irgendein armes Arschloch von Assistent ans Ohr hält – mit seinem Agenten. Auf einer Reihe Monitore über seinem Kopf sind Livebilder aus dem Partyhaus zu sehen, wo Marisol unten am Pool ein paar Sportskanonen mit nacktem Oberkörper interviewt, bevorsie einen neuen Videoclip anmoderiert. Keith hat, was Marisol betrifft, nicht übertrieben. Sie ist wirklich superhübsch, kaffeebraune Haut, haselnussbraune Augen und langes lockiges schwarzes Haar. Ich hoffe immer noch, in der Menge die Typen und Balder zu entdecken, aber sie schwenken zum Video rüber, und es gibt nichts weiter zu tun, als mich Gonzo wieder anzuschließen und unser Glück gemeinsam zu versuchen.
Gonzo kommt zehn Minuten zu spät. »Alter«, brüllt er und rennt außer Atem auf mich zu. »Dieser Ort ist unglaublich!«
»Du bist spät dran«, sage ich.
»’tschuldigung«, sagt Gonzo. Aber er sieht nicht so aus, als täte es ihm leid.
Ich erzähle ihm von
Was ist dein Talent?
.
»Abgefahren«, sagt Gonzo. »Schau mal, dieser Typ hat mir seine Karte gegeben. Er hat gesagt, ich passe perfekt in eine Show, die sie gerade entwickeln. Darin geht’s um einen Haufen reicher und verwöhnter Kids, die mit verhaltensgestörten und missgebildeten Kids zusammenleben. Die Show heißt
Freaks Versus Fantastics
.«
»Wer ist der sadistische Scheißkerl, der sich das ausgedacht hat?«, schnaube ich.
»Alter – ich könnte ins Fernsehen kommen! Sie haben schon diesen Jungen, der Flossen statt Hände hat. Er hasst kleinwüchsige Menschen. Er würde mein Zimmergenosse. Sie sagen, dass das Potenzial an Dramatik jeden Rahmen sprengt.«
»Gonzo. Komm runter. Wir bleiben nicht hier. Wir müssen immer noch Dr. X finden.« Ich halte mein E-Ticket -Band in die Höhe.
Fantasyland
verliert schnell an Farbe.»Wir sind gerade lange genug hier, um ein bisschen Geld einzusacken und Balder zu finden.«
Gonzo sieht enttäuscht aus, und ich fühle mich wie ein Arschloch, das ihm gerade erzählt hat, dass der Weihnachtsmann nur ein Strohmann ist.
»Hör mal, wenn das alles vorbei ist, kannst du zurückkommen. Bis dahin«, sage ich und zeige ihm meinen Kandidaten-Backstagepass, »bis dahin haben wir Zutritt zum Grünen Salon und freies Essen. Also, lass uns was futtern.«
KAPITEL VIERZIG
Handelt davon, was passiert, wenn ich im Fernsehen etwas riskiere
Um drei Uhr kommen die Assistenten von
Was ist dein Talent?
in den Grünen Salon und begleiten mich in die Maske. Parker Day sitzt im Sessel, wird nachgeschminkt und presst ein Handy ans Ohr. Ich kann hören, wie er mit seinem Limonadenhersteller verhandelt, mit einem Schuhunternehmen, wie er sich mit seinem Agenten streitet und einer Assistentin mitteilt, er brauche sie nicht zu
bitten
, sondern sie müsse schlicht und einfach
wissen
, dass sie seine Sachen in die Reinigung mitzunehmen habe. Unsere Sessel sind weniger als eineinhalb Meter voneinander entfernt. Während die Make-up-Lady ihre Arbeit tut, werfe ich Parker verstohlene Blicke zu und versuche zu analysieren, was ihn zu einem Star macht. Da ist das kurze braune Haar mit dezent blond gefärbten Spitzen. Ein durchtrainierter Körper unter einem eng anliegenden klassischen Rocker- T-Shirt . Die Ganzjahresbräune. Die Vintage-Jeans, die wahrscheinlich mehr kostet, als das, was ich in zwölf
Buddha
Burger
-Schichten verdienen könnte. Zweifellos ist er ein gut aussehender Typ, aber irgendwie nichts Besonderes.
Als ich fernsehgerecht geschminkt bin, führen mich die Assistenten zu meinem Platz auf der Bühne, auf der ein Strand nachgebaut ist, komplett mit Bambushütten und Fackeln. Ganz vorne an der Bühne sehe ich Gonzo, der mirmit nervösem Lächeln ein Daumen-hoch-Zeichen
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