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Ohne Ende Leben - Roman

Ohne Ende Leben - Roman

Titel: Ohne Ende Leben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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Sitz vor mir.
    »Was tust du hier?«, frage ich und schaue mich um.
    »Willst du mir nicht Guten Morgen sagen?«
    »Jetzt hör mal, es ist gerade   …« Ich spreche leiser. »Ich will nicht, dass die Leute von mir denken, dass ich hier im Bus zu spinnen anfange. Die schmeißen mich sonst raus.«
    »Sieht so aus, als ob alle noch schlafen.«
    »Kann dich außer mir jemand sehen?«, frage ich.
    »Vermutlich könnten sie, wenn sie wollten, aber vielleicht ist das, was sie sehen, nicht das, was du siehst«, antwortet Dulcie gewohnt kryptisch. »Hey, guck mal.« Sie entfaltet leicht ihre Flügel.
Cameron rock
steht drauf.
    »Sollte da nicht ein ›t‹ am Schluss stehen? Cameron
rockt

    »Ja. Die Sprühfarbe ist mir ausgegangen. Aber Seele ist drin, garantiert zu hundert Prozent!« Sie legt ihr Kinn auf die Rücklehne und die Hände an die Seiten. Das sieht aus, als sei sie geköpft worden. »Du scheinst mir ein bisschen müde, Cowboy.«
    »Seltsame Träume«, sage ich.
    »Willst du mir was drüber erzählen? Der Doktor hört zu.«
    »Nur so’n Zeugs von meiner Mutter. Sie hat davon erzählt, wie sie mit mir als Kind immer in die Bibliothek gegangen ist, und ich konnte mich überhaupt nicht dran erinnern. Aber gerade als ich aufgewacht bin,
konnte
ich mich erinnern. Ich hab mich auf Moms Schoß sitzen sehen, sonnenklar, nahe am Brunnen, und sie hat mir irgendein Buch mit Kinderreimen über Monster vorgelesen. Sie hatte Sandalen an und duftete nach Shampoo. Und ich war glücklich. Wie konnte ich das vergessen?«
    »Das ist ne schöne Erinnerung«, sagt Dulcie.
    Wir lauschen der Melodie der Straße unter uns,
bumbum-bumbum
,und für ein paar Minuten fühlt es sich an, als ob wir die einzigen Geschöpfe im ganzen Universum sind.
    »Hast du’n paar schöne Erinnerungen?«, frage ich und biete ihr Käsefinger aus unserer Tüte an. »Du weißt schon, bevor du ein   …« Ich deute in einer total missratenen Geste auf die Flügel. »Du weißt schon.«
    Dulcie setzt ein lustiges kleines Lächeln auf. »Jetzt gerade mach ich mir ne schöne Erinnerung.«
    »Jetzt?«
    »Hier. Mit dir.« Sie verputzt zwei Käsefinger.
    »Aber was warst du, bevor du ein Engel wurdest?«, presse ich hervor.
    Sie schlürft an meiner lauwarmen Limo und zieht ein Gesicht. »Ist das wichtig?«
    »Ja. Ich denke schon.«
    »Also gut«, sagt sie und nimmt noch einen Schluck aus der Dose. »Ich war jemand anderer.«
    »Was willst du damit sagen?«, frage ich und verliere langsam die Geduld. »Hattest du Eltern? Einen Hund? Einen Wellensittich? Eine Sozialversicherungsnummer? Kannst du dich erinnern? Wie fühlst du dich? Gibt es einen Gott? Was passiert mit uns, wenn wir sterben? Werd ich wie du sein und meine Flügel mit falsch geschriebenen Botschaften besprühen und Menschen auf bescheuerte Missionen schicken?«
    »Das ist nicht bescheuert, Cameron«, sagt sie sanft.
    »Ich bin hier im Nirgendwo unterwegs und halte Ausschau nach irgendeinem desertierten Wundermann, riskier für dich Kopf und Kragen, und du kannst mir nicht mal eine einzige verdammte Frage beantworten!«
    Der Typ gegenüber öffnet für eine halbe Sekunde einAuge, dreht sich dann um, und ich senke meine Stimme. »Ich glaub, du schuldest mir das.«
    Dulcie wischt sich den Mund ab, trotzdem klebt noch was von diesem fluoreszierenden Käsepulver an ihren Lippen. »Okay, eine deiner Fragen werd ich beantworten.«
    »Vielen Dank.«
    »Ich fühl mich, als ob ich einen Magritte verschluckt hätte.«
    »Was?«
    Dulcie greift nach einem weiteren Käsefinger. »Du hast mich gefragt, wie ich mich fühle. Und meine Antwort ist: Ich fühl mich, als ob ich einen Magritte verschluckt hätte. Als ob meine Innenseiten mit Wolken und schwebenden Augen bemalt sind, mit grünen Äpfeln und langsam himmelwärts fliegenden Männern, die Melonen tragen.«
    »Du bist das von Amts wegen nervigste unwirkliche Geschöpf, das es gibt.«
    »Hast wohl ne Menge von uns getroffen?«
    »In letzter Zeit ist es immer schlimmer geworden.«
    »Cameron.« Sie legt ihre Hand auf meinen Arm. »Worauf es ankommt, ist, dass du genau in diesem Augenblick am Leben bist. Schau dich um.« Sie breitet die Arme aus, als ob sie die schlafenden Passagiere umfassen wollte. »Die Hälfte der Menschen, die ich sehe, nehmen gar nichts wahr. Sie werden nie erfahren, was für sagenhafte Dinge es auf der Welt gibt.«
    »Was, zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel   …« Sie denkt zwei Sekunden nach. »Mikrowellenpopcorn.«
    »Du machst

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