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Ohne Ende Leben - Roman

Ohne Ende Leben - Roman

Titel: Ohne Ende Leben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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verkorkst«, erklärt Ruth. »Ich hatte meinem Glück Leid zugefügt. Also schickten sie mich zur KIGSNAB.«
    »Boah«, sage ich.
    »Oh nein, nicht etwa, weil sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollten, sondern weil sie mich so sehr liebten. Jetzt weiß ich das«, sagt sie und knabbert an ihren bereits abgekauten Fingernägeln. »Als ich das erste Mal bowlen ging und all diese Strikes geschafft hatte, war das so, als ob ich den Wettbewerb ums schönste Abendkleid gewonnen und hinterher Kokain geschnupft hätte! Ich hab nur noch geheult. Alle haben sich so mit mir gefreut! Und ich wollte einfach immer so weitermachen, weißt du. Immer glücklich bleiben.«
    Daniel richtet eine weitere Garnitur Fritten aus und träufelt Ketchupkunst darüber.
    Ruth klatscht in die Hände. »Oooh! Erzähl ihm deine Geschichte, Daniel.«
    »Ich hatte größte Probleme mit der Selbstkontrolle«, sagt er und isst dabei seine Fritten, eine nach der anderen. »Ich bin mit Sport aufgewachsen und war in Klassen für Hochbegabte. Ich fand das cool, solange ich an der Spitze war. Aber als ich in die Sechste kam, war ich in Mathe nicht mehr der Beste und in Baseball auch nicht. In meiner Stadt hatte man eine andere Schule gebaut und die Schüler dort waren wirklich gut. Ich hab’s nicht mehr gepackt und bin unter dem Druck zusammengebrochen. Eines Tages kroch ich in einen Schulspind und wollte ihn nicht mehr verlassen. Sie mussten eine Rettungsschere benutzen, um mich da rauszuholen. Das war die Zeit meiner religiösen Erweckung. Was sollte all dieser Wettkampf, all das Gewinnstreben und dass Menschen besser sein wollten als andere? Das fügt deinem Glück Leid zu.«
    Ich drücke eine große Ladung Ketchup auf meinen Teller und kleckere dabei meine Fritten voll. Daniel schaut einwenig angeschlagen. »Aber bringt dich Konkurrenz nicht dazu, deine Leistungen zu verbessern? Ist das nicht Sinn des Wettstreits?« Ich kann nicht glauben, was ich da sage. Nie im Leben habe ich mir bei irgendwas große Mühe gegeben.
    »Da bist du falsch gewickelt, mein Freund«, sagt Daniel und lächelt. »Unsere Kultur redet uns das ein. Aber nicht unsere Natur.«
    Ruth schaut mir direkt in die Augen. »Wünschst du dir nicht einfach, du könntest das alles hinter dir lassen? All diesen Kummer?«
    »Ja«, höre ich mich selbst sagen, »tu ich.«
    Daniel legt den Arm um mich, als ob wir die besten Kumpel wären. »Das Großartige ist, Cameron, du kannst es! Du hast ganz und gar die freie Wahl, glücklich zu sein. Das Universum hat dafür gesorgt, dass du glücklich bist. Du musst es nur zulassen.«
    »Und hier, in der KIGSNAB, haben wir eine Menge Produkte, die das unterstützen und das Glück am Laufen halten, sodass du dich nie unglücklich fühlen musst. Nicht für eine einzige Sekunde.« Ruth lächelt mich an, als ob sie mit mir flirtet. »Du scheinst glücklicher zu sein, seit du gekegelt hast, Cameron. Hab ich recht?«
    »Ja, ich denk schon«, sage ich.
    »Siehst du?« Daniel tätschelt mir den Rücken. »Das ist die Energie dieses Ortes.«
    »Wir betrachten KIGSNAB gern als geschlossene Gemeinschaft, die die Seele beschützt. Den Unrat, der unserem Glück im Wege steht, den lassen wir einfach draußen«, zwitschert Ruth. »Nehmen wir deinen Freund, Gonzo. Er ist   … in Nöten. Er ist voller Angst. Angst ist ein solch negatives Gefühl, weißt du?«
    »Wir finden, dass wir das hier nicht brauchen«, sagt Daniel. »Deshalb haben wir die Kommandos, deshalb arbeiten wir daran, die bösen Sachen draußen zu halten. So sind wir rund um die Uhr sicher. Und wenn wir rund um die Uhr sicher sind – keine Verweigerung, keine schlechten Nachrichten, keine negativen Gedanken, keine Störungen   –, dann bleiben wir glücklich. Und dann sind unsere Eltern glücklich, dass wir glücklich sind, und, weißt du, dann ist alles gut. Eine ziemlich einfache Philosophie, aber sie funktioniert.«
    »Wie bezahlt ihr denn das alles?«, frage ich.
    »Wir stellen sämtliche FU K-Tests zusammen, inklusive dem gesamten Vorbereitungsmaterial, ›Alles was du zum FUK brauchst, ohne lange nachzudenken‹«, sagt Daniel.
    »Und wie kommt’s, dass ihr euch auf der Straße rumtreibt?«, fragt Ruth. Als ich nicht antworte, legt sie ihre Hand auf meine. »Hey, ist schon okay. Wir haben alle Ähnliches durchgemacht.«
    Jeder war hier die ganze Zeit so nett zu mir. Das erste Mal seit meiner Diagnose habe ich mich irgendwie normal gefühlt, und ich habe Angst, dass ich alles kaputt mache.

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