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Ohne Ende Leben - Roman

Ohne Ende Leben - Roman

Titel: Ohne Ende Leben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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sich zu rächen. Ich halte mein Kissen wie einen Schild vor mich, nur für den Fall, dass ich einen Meter zwanzig Gonzman abwehren muss. Und dann höre ich es in der Finsternis – ein übersprudelndes Lachen, das die Tränen verdrängt.
    »Mein Freund«, sagt er und prustet. »Ich bin der Ayatollah ohne Gnade. Leg dich nicht mit den kleinen Leuten an. Wir verwüsten eure Seelen!«
    »Oooh«, sage ich. »Jetzt hab ich aber Schiss gekriegt, Alter. Ich bin so was von erschrocken.«
    »Ich hab die Autos mit einer verdammten Fatwa belegt.« Er lacht so heftig, dass es schon wieder total wahnsinnig klingt, aber hey, alles ist gut, was ihn auf die Beine bringt.
    Ich lege das Kissen wieder unter meinen Kopf. »Also gut, sie haben es nicht verdient zu leben. Sie waren Werkzeuge der Ungläubigen.«
    »Verdammt richtig«, sagt er mit weniger strenger Stimme. Er lümmelt sich aufs Bett.
    Gonzo schweigt noch eine Minute, und ich versuche, mich zu entspannen. Meine Beine tun echt weh, und ich hoffe, dass sie nur vom langen Laufen müde sind.
    »Cameron?«
    »Ja?«
    Gonzo dreht sich zur Seite und schaut mich an. Ich kann nur die Silhouette meines Schattenfreundes erkennen. »Hast du je daran gedacht?«
    »Woran gedacht?«, sage ich.
    »Ans Sterben.«
    Hab ich je daran gedacht? Was will er hören? Dass ich mir neulich überlegt habe, wie das Gesicht meiner Mutter aussieht, wenn sie am Morgen ihren Kaffee trinkt, auf ihr Kreuzworträtsel starrt, so als könnte sie es gerade heute bezwingen. Ich denke daran, wie ich mit meinem Vater zum See hinausfahre, am Tag bevor er und Mom das neue Haus kauften, da war ich elf, wie er zur Musik aus dem Autoradio gesungen hat und so aussah, als ob er nichts anderes tun möchte, als immer nur Auto zu fahren und dabei zu singen. Ich denke an die Jenna, die mir zu Weihnachten einen Stern aus Makkaroni bastelte, als sie sechs Jahre alt war, und ich denke an die Jenna von heute, die Jenna aus dem Tanzteam,die Jenna, die mich nicht ausstehen kann, die Jenna, die mich vermissen wird, wenn ich nicht mehr da bin, selbst wenn es nur deshalb ist, weil ich dann nicht mehr da bin, um sie in der Welt so viel besser aussehen zu lassen. Ich denke an die Tatsache, dass ich wahrscheinlich niemals Staci Johnson bumsen werde, und dass es, verdammt noch mal, nichts gibt, was ich dagegen tun könnte. Ich denke jeden Tag ans Sterben, weil ich nicht aufhören kann, ans Leben zu denken.
    Ich täusche ein Gähnen vor. »Oh Mann, ich bin fix und fertig, okay?«
    Gonzo dreht mir wieder den Rücken zu. »Ja, klar. Kein Problem. Gute Nacht.«
    »Ja. Nacht.«

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
    Welches von meinem Besuch auf einer Party handelt und von einer Zufallsbegegnung mit dem grummeligsten Gartenzwerg der Welt
     
    Innerhalb von dreißig Sekunden beginnt Gonzo leise zu schnarchen. Es ist null Uhr zwanzig und ich bin aufgedreht. Ich kann den Fernseher nicht anschalten, also ziehe ich meine Schuhe an und tapse hinaus auf den Parkplatz mit seinem prachtvollen Blick auf die Interstate 10.   Ein Schwerlaster nach dem anderen donnert vorbei. All diese Lastwagen transportieren Dinge, von denen die Menschen glauben, nicht ohne sie leben zu können – neue Sofas und glänzende Sneakers, Ponchos und zwölf verschiedene Sorten Schmelzkäse, in Würfeln, Streifen, Vierecken oder geraspelt in Beuteln.
    Ich laufe die Zufahrtsstraße entlang, auf die gelben Blinklichter der Unterführung zu. Auf der anderen Seite des Freeways steht eine Iss&Trink&Tank-Stelle, hell erleuchtet wie eine fluoreszierende Fata Morgana.
    Nur ein Wagen steht auf dem Parkplatz. Leute sind nicht zu sehen, außer dem Typen hinter der Ladentheke, der auf einen kleinen Fernseher neben der Kasse starrt. In meiner Tasche habe ich drei Dollar. Ich werfe alles ins Münztelefon. Meine Finger sind steif. Immer wieder fallen mir Geldstücke runter.
    Es tutet ein paarmal, dann hebt Dad ab. »Hallo?«, sagt ermit halb wacher Stimme. Einen Augenblick lang sage ich nichts. Ich lausche nur dem verschlafenen Atmen am anderen Ende der Leitung.
    »Dad?«
    »Cameron? Bist du das? Bist du   … Sag was. Bitte.«
    Seine Stimme klingt fremd, so wie sie aus der Ferne, durch Tausende von Meilen dünnem Draht, zu mir vordringt. Sie klingt nicht beleidigt oder beherrscht. In ihr sind andere Töne zu hören. Erschöpfung. Hoffnung. Trauer.
    »Cameron?«, flüstert er. »Ich weiß, dass du mich hören kannst. Egal, wo du jetzt im Augenblick steckst, du sollst nur wissen, dass du mein Junge bist. Du

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