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Ohne Gewaehr

Ohne Gewaehr

Titel: Ohne Gewaehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renee R. Picard
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erschöpft die Augen. Plötzlich fühlte ich
mich unglaublich müde.
    Als wir die Tiefgarage des Ritzman Hotels erreichten,
hielt mich Daniel davon ab, auszusteigen. »Warte! Smith geht nur unsere Sachen
holen, dann fahren wir weiter. Wir schlafen hier nicht, solange es einen Mörder
gibt, der sich in diesem Hotel auskennt und der schon einmal unbemerkt
entkommen konnte.«
    Ich stöhnte genervt auf. »Bei deinen paranoiden Vorstellungen
finden wir bald in ganz Boston keine Schlafgelegenheit mehr.« Dann drehte ich mich
zur Seite, um eine bequeme Haltung für die weitere Fahrt zu finden. Insgeheim
gab ich ihm Recht. Ganz wohl war mir bei dem Gedanken auch nicht, dass die
Polizei noch immer keine Spur von Wallensteins Mörder hatte.
    »Hör auf zu streiten, Baby«, drang seine Stimme jetzt
sanfter zu mir vor. »Du wirst sehen, es wird dir dort gefallen, wo wir jetzt
hinfahren. Komm her zu mir und leg deinen Kopf in meinen Schoß, dann kannst du auf
dem Weg schon ein wenig schlafen.«
    Ich rückte auf der Rückbank herum und legte mich schließlich
so hin, wie er mir geraten hatte. Ich wollte doch auch keinen Streit, sondern
dieselbe verliebte Zärtlichkeit, wie eben am Fluss. Mein Kopf ruhte auf Daniels
Oberschenkel und wenn ich ihn nur ein bisschen zur Seite drehte, könnte ich ihn
seine Sorgen mit Leichtigkeit vergessen lassen. Doch ich wusste, wie ernst er
seine Therapie nahm und wollte den neuen Ansatz der Enthaltsamkeit nicht gleich
an den ersten Tagen zerstören.
     
    Mitten in der Nacht wachte ich auf. Ich lag in einem
fremden Bett, in einem fremden Zimmer. Ein lautes Geräusch hatte mich geweckt,
es klang wie ein Tier. Angespannt lauschte ich in der Dunkelheit. Mit einer
Hand tastete ich auf der anderen Seite des Bettes, suchte nach Daniel, wollte
ihn aufwecken, denn die plötzliche Störung und die ungewohnte Umgebung ängstigten
mich.
    Aber das Bett war leer, Daniel war nicht hier. Sofort
fuhr ich hoch, setzte mich kerzengerade auf. Was war geschehen? Ich erinnerte
mich, dass Daniel uns aus lauter Angst vor einem unbekannten Mörder aus Boston
wegbringen wollte. Aber wohin? Und wo war er jetzt?
    Ich suchte an der Seite des Bettes nach einem
Lichtschalter, fand schließlich eine altmodische Nachttischlampe auf dem Tisch
neben dem Bett. Als der Lichtschein das kleine Schlafzimmer erhellte, atmete
ich auf. Ich war allein, kein Einbrecher oder Mörder hatte sich hier versteckt.
    Von Daniel war weit und breit nichts zu sehen,
vermutlich zog er es vor, allein zu schlafen, um mich nicht durch seine Träume
zu stören.
    Noch einmal horchte ich angestrengt nach den seltsamen
Geräuschen, doch es war still, nur der Wind wehte draußen vor dem Fenster.
Erschöpft legte ich mich zurück auf mein Kissen. Ich schloss die Augen, ließ
aber das Licht brennen.
     
     

Dienstag, 03. Juli
2012
     
    Der Geruch frischen Kaffees weckte mich. Als ich die
Augen aufschlug, schien die Sonne in ein Fenster gegenüber von meinem Bett und
ich hörte leises Vogelgezwitscher. Es dauerte eine Weile, bis ich mich
orientiert hatte. Wir waren irgendwo am Stadtrand. Auf der Fahrt hierher war
ich eingeschlafen und hatte keine Vorstellung, wie weit wir gefahren waren oder
wie ich ins Bett gekommen war. Die kurze Störung letzte Nacht fiel mir wieder
ein. Ich blickte zum Nachttisch hinüber, doch die Lampe war nun ausgeschaltet.
    Dann sah ich mich im Zimmer um. Das große Doppelbett
dominierte den Raum, der so friedlich und kühl wirkte, dass mich der Stil
sofort an Daniel denken ließ. Doch nichts deutete darauf hin, dass er hier
übernachtet hatte.
    Alles war einfach gehalten, es gab ein paar
geschmackvolle, weiße Möbel und einen flauschigen, hellblauen Teppich, der
einen Teil des Holzfußbodens bedeckte. An der Wand hinter mir hing ein Gemälde,
es zeigte den Abendhimmel über einem einsamen, zugefrorenen See. Doch als ich
es betrachtete, wusste ich sofort, dass Daniel es nicht wegen der darauf dargestellten,
außergewöhnlich schönen Landschaft ausgesucht hatte, sondern allein wegen
seiner Farbe. Nachtblau, fast schon schwarz – damit verband er mehr als nur eine
ästhetische Vorliebe. Die Farbe war ein Symbol für den schmerzlichen Verlust
seiner Schwester, für eine verlorene Kindheit und die Einsamkeit, die er sich
selbst auferlegt hatte.
    Dieses Haus musste für ihn eine besondere Bedeutung
haben, denn in seinem Appartment hatte ich noch nie ein ähnliches Bild gesehen.
Das einzige vergleichbare Gemälde, das ich kannte, hing in

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