Ohne Gnade
pulsierendem, kompliziertem Rhythmus, der die Nacht und die Großstadt in den halbdunklen Raum trug.
Nick wartete auf die rechte Gelegenheit, dann begann er mit der Rechten zu spielen, geschickt das Thema improvisierend. Der Amerikaner drehte den Kopf und grinste anerkennend.
»Alle Achtung, General!«
Sie endeten mit verschlungenen Akkorden, die fast alle Zuhörer zum Beifall veranlaßten. Die Augen des Amerikaners glitzerten erregt, sein Gesicht hatte sich gerötet. Als der Barmixer auf einem Tablett zwei Gläser Whisky brachte, kippte er den Schnaps hinunter und lachte.
»Sie haben Seele, General, eine gold'ne, schimmernde Seele. Man sieht es förmlich. Ganz groß! Das hat man oder man hat es nicht, General.«
»Garvald«, sagte Nick. »Ben Garvald.«
Lazer verstummte und starrte ihn an.
»Ben?« sagte er schließlich. »Mein alter Kumpel Ben? Klar kenne ich Ben. Er war vorhin bei mir in der Wohnung.«
Er machte eine Pause und zog die Brauen zusammen. »War das wirklich heute? Kann auch ein andermal gewesen sein.«
»Was wollte er?« fragte Nick geduldig.
»Was er wollte? Was der alte Ben wollte?« Lazers Stimmung schlug plötzlich um. Er griff nach Nicks Glas, leerte es und begann ein Bachsches Präludium zu spielen. »Passen Sie auf, General. Der alte Ben wollte sich nach seiner Frau erkundigen, wie sie jetzt heißt und wo sie wohnt.«
»Das war alles?«
»Dann wollte er noch wissen, wo er Sammy finden kann.«
»Sammy?«
»Sammy Rosco. Rausschmeißer im ›Club Eleven‹. Er wohnt in der Carver Street.«
»Warum wollte ihn Garvald sprechen?«
Lazer leitete zu einem Strauß-Walzer über.
»Etwas Gutes hatte er nicht im Sinn, General, das steht fest. Neben ihm ging der Todesengel. Der Herr sei Samuel Roscos Seele gnädig.« Er lachte schrill. »Ha, wissen Sie, was der Kerl getan hat, General? Er hetzte Ben im Nebel vor Wandsworth zwei billige Schläger auf den Hals. Wenn das nur kein Fehler war!«
Er war auf dem Höhepunkt seiner Ekstase, wußte, was er sagte, und wußte es doch nicht. Nick nützte seinen Vorteil.
»Was wollte er von Bella, Chuck? War er wütend auf sie?«
»Auf Bella? Warum sollte er wütend sein?« Der Walzer verwandelte sich in einen langsamen, schleppenden Blues. Ein farbiges Paar in der Ecke stand auf und begann zu tanzen. »Er hat diese Frau geliebt, General. Er liebte sie, und sie warf ihn über Bord und heiratete einen anderen Mann.«
»Vielleicht will er sich rächen.«
»Sie meinen, daß er sie ein bißchen mit dem Messer bearbeiten möchte oder so?« Die Finger zauderten, die Melodie erstarb. »General, Sie kennen Ben Garvald nicht. Sie kennen ihn wirklich nicht.« Er beugte sich vor und legte eine Hand auf Nicks Schulter. »Den Frauen gegenüber ist er völlig hilflos.«
»Verstehe.« Nick wollte aufstehen, aber Lazer hielt ihn fest.
»Woher das Interesse? Sie glauben, daß er auf Bella losgeht?«
»Sie meint es.«
»Hat sie offiziell Anzeige erstattet?«
»So ungefähr.«
»Dieses gemeine Weibsbild! Nach allem, was er für sie getan hat. Neun miese Jahre, dann läßt sie sich scheiden und heiratet einen Mann mit einem dicken Geldsack.«
»Das Leben kann scheußlich sein«, meinte Nick.
Er machte sich los, hastete die Treppe hinauf, ohne sich umzusehen, und eilte durch die Gasse zum City Square. Die Carver Street und Sammy Rosco standen als nächstes auf der Liste. Er setzte sich ans Steuer des Mini-Cooper und fuhr los.
Hinter ihm blieb Lazer am Ende der Gasse enttäuscht stehen und ließ die Hand sinken. In einem Hauseingang neben ihm flammte ein Zündholz auf. Ben Garvald trat heraus und zündete sich eine Zigarette an.
»Wer ist denn dein Freund, Chuck?«
Lazer fuhr überrascht herum. Die Wirkung der Droge begann bereits nachzulassen, und sein Benehmen wurde normaler.
»Woher kommst du auf einmal?«
»Ich wollte dich wiedersehen. Mir fiel ein, was du über die Apotheke am City Square gesagt hast. Du hast mit dem Burschen im blauen Mantel und mit der eleganten Mütze an der Ecke gestanden, als ich um die Ecke kam. Wer ist das?«
»Ein Bulle, Ben. Kriminalsergeant.« Lazer erforschte sein Gedächtnis. »Miller. Richtig – Miller heißt er.«
»Du machst Witze«, sagte Garvald. »Ich habe noch nie einen Bullen gesehen, der so aussieht. Was wollte er?«
»Dich, Ben«, erwiderte Lazer. »Er wollte wissen, ob ich weiß, wo du bist.«
»Hat er auch gesagt, warum?«
»Bella,
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