Ohne Gnade
umsehen.«
»Haben Sie einen Haussuchungsbefehl?«
»Was denken Sie?«
Manton hob die Schultern.
»Spielt keine Rolle. Schauen Sie sich um, soviel Sie wollen.
Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie Ben finden. Ich könnte ihn zwei Jahre lang beschäftigen, dann wäre er mir immer noch Geld schuldig.«
»Sie tun mir aufrichtig leid«, sagte Brady und öffnete die Tür.
Manton lächelte.
»Übrigens könnte ich im Frühjahr noch einen Portier gebrauchen, Brady. Wann gehen Sie in Pension?«
Bradys Hand schloß sich fester um die Klinke, bis die Knöchel weiß hervortraten. Die Wut stieg in ihm hoch und drohte ihn zu ersticken.
Er atmete tief ein, und als er zu sprechen begann, hatte er seine Stimme in der Gewalt.
»Das war für einen schlauen Burschen wie Sie eine sehr dumme Bemerkung, Manton. Ausgesprochen dumm.«
Und Manton wußte es. Sein Lächeln verschwand. Brady grinste schwach, schloß die Tür und ging über den dicken Teppich zum Ausgang.
Der Regen, den vorhin der Wind vor sich hergetrieben hatte, fiel jetzt stark und senkrecht vom Himmel. Brady blieb neben dem alten Zeitungsverkäufer stehen, der sich in eine Zeltbahn gehüllt hatte. Brady griff nach einer Zeitung und schlug die Sportseite auf.
»Ben Garvald, Micky. Sie erinnern sich?«
Die Stimme des alten Mannes klang brüchig und heiser.
»So einen vergißt man nicht so leicht, Mr. Brady.«
»War er heute im ›Flamingo‹?«
Der alte Mann tat so, als suche er in seinen Taschen nach Kleingeld.
»Ganz bestimmt nicht. Aber Manton hat einen Privateingang, neben der Personaltür in der Gasse. Die Treppe führt direkt hinauf in seine Wohnung.«
»Gut, Micky.«
Brady gab dem Alten ein paar große Münzen, ließ sich zur Vorsicht einige Kupfermünzen herausgeben und entfernte sich. An der Ecke blieb er stehen und schaute sich um. Der Portier war nirgends zu sehen. Er verschwand in der schmalen Gasse.
Die Abfalltonnen waren überfüllt, eine alte Gaslampe beleuchtete zwei Türen. Auf der einen stand: ›Privat – Personaleingang‹. Die andere war unbeschriftet. Er drückte die Klinke nieder, aber die Tür war abgesperrt.
Am anderen Ende der Gasse konnte er die Hauptstraße sehen. Der nächtliche Verkehrslärm drang nur gedämpft herüber. Er schaute auf die Uhr. Kurz nach elf. Er brauchte vor Mitternacht nicht zurück zu sein. Er kehrte zum City Square zurück, stellte sich in einen dunklen Hauseingang und wartete.
Es war bitterkalt. Die Zeit verging langsam. Er lehnte sich in die Ecke und steckte die Hände tief in die Taschen. Stockend verrannen die Minuten, aber niemand ließ sich blicken. Er hatte sich geirrt, das war es. Vielleicht wirst du wirklich alt, dachte er. Manton hatte es behauptet, und es mochte wirklich wahr sein. War das alles, was er für fünfundzwanzig Jahre vorzuweisen hatte?
Ein merkwürdiges Gefühl übermannte ihn. Wenn er nur noch einmal anfangen und alles anders machen könnte. Wie aus weiter Entfernung schien er Stimmen zu hören. Er atmete tief ein und kehrte ruckartig in die Wirklichkeit zurück. Zu seiner Verärgerung entdeckte er, daß er beinahe eingeschlafen war.
Ein Mann war aus dem Schatten getreten, blieb vor dem beleuchteten Eingang stehen und zündete sich eine Zigarette an. Brady erkannte Chuck Lazer sofort und erinnerte sich auch daran, daß der Amerikaner als Pianist im Nachtklub arbeitete.
Als sich die Tür des Personaleingangs hinter Lazer schloß, lehnte sich Brady wieder zurück. Er fröstelte, als ein kalter Wind durch die Gasse fegte und seine Mantelschöße hochwirbelte. Er vergeudete hier nur seine Zeit, soviel stand fest.
Er hob den Unterarm, um einen Blick auf das Leuchtzifferblatt seiner Uhr zu werfen. Zu seiner Überraschung sah er, daß es zehn Minuten nach zwölf war. In diesem Augenblick ging die Tür zu Mantons Privattreppe auf. Jemand pfiff leise. Ben Garvald trat aus dem Dunkel der Gasse, blieb kurz unter der Lampe stehen und verschwand im Haus.
Brady war so verblüfft, daß er ein paar Sekunden lang stehenblieb. Dann nahm er sich zusammen und eilte über den Platz, von fieberhafter Erregung befallen.
Die Tür zu Fred Mantons Privateingang war wieder abgesperrt, aber der Personaleingang war offen. Er betrat das Haus.
11
Als Lazer die Privattür öffnete und Garvald eintrat, stand er in einem kleinen, quadratischen Vestibül am Fuß einer mit einem Läufer ausgelegten Treppe, Lazer ging voraus. Oben öffnete er
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