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Ohne Gnade

Ohne Gnade

Titel: Ohne Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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den Einäugigen zum Gefangenenwagen hinunterzuschleifen.

    20

    Der Nebel wurde dichter, als sie sich dem Stadtzentrum näherten. Garvald bog mit dem Mini-Cooper von der Hauptstraße ab und schlug die Richtung zum Fluß ein, wobei er Nebenstraßen bevorzugte.
    »Wo hast du den Wagen her?« fragte Bella.
    »Von einem Freund geliehen.«
    Sie schwiegen eine Weile.
      »Es ist lange her, nicht wahr, Ben?« meinte sie schließlich. »Seit wir so beisammen waren, meine ich.«
      »Zu lange, Liebling«, erwiderte er, und seine Stimme klang endgültig.
      Sie schien es zu merken, zog ein goldenes Etui heraus und steckte eine Zigarette zwischen ihre Lippen.
    »Was wirst du jetzt tun?«
      »Sobald ich das Geld habe?« Er grinste. »Ich fahre nach Hause, Bella. Zurück in die Heimat. Ein Onkel hat in Antrim einen Bauernhof, aber keinen Erben. Von den Städten habe ich genug.«
    Sie starrte ihn verblüfft an und begann zu lachen.
      »Du willst Landwirt werden? Das glaube ich sofort, wenn ich es sehe.«
    »Es hat schon ganz andere Dinge gegeben.«
    »Zum Beispiel?«
    »Daß du dich einem alten Mann als Bettflasche verkaufst«,
    erwiderte er mit einer Härte, die sie zum Schweigen brachte.
      Als sie sich dem Fluß näherten, hörte der Verkehr auf der Straße ganz auf. Sie erreichten einen Bezirk dunkler Straßenschluchten, begrenzt von hohen Lagerhäusern. Garvald hielt auf Bellas Wink hin unter einer Laterne in einer schmalen Straße vor einem Tor. Durch die Gitterstäbe konnte er die Positionslampen der Schleppkähne am anderen Ufer schimmern sehen, aber zu hören war nur das Rumoren des Wassers, das an die Pfeiler der Landungsstege klatschte.
    »Von hier aus müssen wir zu Fuß gehen«, sagte sie.
      Er stieg aus, ging um den Wagen herum und trat zu ihr. Das Haupttor war verschlossen, aber die kleine Pforte daneben sprang auf, als sie die Klinke niederdrückte. Sie gingen hindurch.
      Ein paar weit auseinanderstehende Gaslampen an der Außenmauer des Lagerhauses verbreiteten Licht, aber der vom Fluß heranwallende Nebel machte es trüb. Die Sicht war gering.
      Sie kamen an einer Tür vorüber. Auf einem Schild stand ›Hagen's Werft – Hauptbüro‹. Sie schritten weiter über das schwarze, schimmernde Pflaster zur letzten Lampe am Ende des alten Lagerhauses. Dahinter verschwanden Geländer und Holzplanken des Landungsstegs im Nebel und in der Dunkelheit des Flusses.
      »Verdammt!« sagte Bella. »Das Licht am Ende des Stegs brennt nicht. Auf die Nachtwächter ist wirklich kein Verlaß.«
    »Ist das Boot dort festgemacht?«
    Sie nickte.
      »Warte hier. Ich gehe ins Büro und hole eine Stablampe. Ich habe einen Schlüssel.«
    Sie eilte davon. Ihre Schritte verklangen rasch. Garvald zog eine Zigarette aus der Packung, zündete sie an und starrte bedrückt in den Nebel.
      Eigentlich hätte er bester Stimmung sein müssen, weil er zum erstenmal den Entschluß gefaßt hatte, ein anderes Leben anzufangen. Stattdessen war er traurig. Die Lampe über ihm, der breite Steg, der sich vor ihm in die Dunkelheit erstreckte, dies alles wirkte verschwommen, unwirklich, als könne sich alles jeden Augenblick in Nebel auflösen.
      ›Die Jahre, von den Heuschrecken verzehrt.‹ Als ihm das Zitat plötzlich einfiel, sah er seine alte Großmutter vor sich, die Bibel auf den Knien, des Freitag abends einem Jungen vorlesend, der noch ein ganzes Leben mit all seinen Hoffnungen, Träumen und Wundern vor sich hatte.
      Er hörte ihre Schritte wieder näherkommen und drehte sich um.
    »Das hat ja nicht lange gedauert.«
    In dieser endgültig letzten, erstarrten Sekunde des Lebens, in der die Zeit stillzustehen schien, sah er nur eines – die Mündung der Pistole, die auf ihn gerichtet war. Die Flamme schlug in die Nacht, und er taumelte zurück ans Geländer des Landungsstegs. Von der Kugel wurde er halb herumgeschleudert, versuchte sich festzukrallen, und als das Brett splitterte und auseinanderbrach, traf ihn eine zweite Kugel im Rücken und schickte ihn über einen schemenhaften Rand hinweg in ewige Dunkelheit.

    21

    Als Harry Faulkner das Büro der Kriminalpolizei im Rathaus betrat, war es genau 4.15 Uhr. Als erstes entdeckte er Chuck Lazer, der an einem leeren Schreibtisch saß und Patiencen legte, eine Kanne Tee neben sich.
      »Was, zum Teufel, treiben Sie hier?« fragte Faulkner fassungslos.
      »Ich bin ein Mitarbeiter der Kriminalpolizei«, erwiderte Lazer. »Faszinierende Beschäftigung, aber die

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