Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)
weil wir genau pünktlich kommen würden. Nur waren wir nicht die Ersten, das Fest war schon in vollem Gange. Es waren mindestens fünfzig Leute da, und sie waren nicht gerade erst gekommen. Die Kohle brannte, das Essen lag auf dem Grill. Wie wir mit unserer Schüssel mit hausgemachtem Kartoffelsalat vor der Feier standen, sahen wir aus wie Idioten. Minutenlang begrüßte uns niemand, bis Håkan uns durch die Menge zu dem Tisch führte, auf den wir den Salat stellen konnten. Zu spät und unbeholfen mit einem Kartoffelsalat in die Feier zu platzen, war nicht der erste Eindruck, den ich mir gewünscht hatte, deshalb fragte ich Håkan, ob ich mich mit der Zeit vertan hätte. Eigentlich war das eine höfliche Umschreibung dafür, dass er einen Fehler gemacht hatte, aber er sagte nur, ich hätte da was verwechselt, das Fest sei um ein Uhr losgegangen. Dann fügte er hinzu, ich solle mir keine Sorgen machen, er sei deswegen nicht beleidigt – ich hätte mir wohl nur gemerkt, dass ab drei Uhr gegrillt wird.
Man könnte es einfach als Missverständnis abtun. Aber das war es nicht. Er hat uns absichtlich torpediert. Würde es mir etwas ausmachen, wenn ich mich bei der Zeit vertan hätte? Nein, ich hätte mich entschuldigt, und damit wäre die Sache erledigt gewesen. Aber ich hatte nichts durcheinandergebracht, weil er mir nur eine Zeit genannt hatte. Håkan wollte, dass wir zu spät kommen und uns fehl am Platze fühlen. Das war ihm auch gelungen. Während der ganzen Feier war ich angespannt. Ich konnte mich auf kein Gespräch einlassen, und statt mich bei einem Drink zu entspannen, wurde ich vom Alkohol noch unruhiger. Immer wieder erzählte ich den Leuten, ich sei in Schweden geboren und hätte einen schwedischen Pass, aber ich war doch nur die nervöse Engländerin, die zu spät mit einem Kartoffelsalat erschienen war. Du siehst doch, wie geschickt das war, oder? Håkan hatte mich gebeten, einen Kartoffelsalat zu machen. Erst habe ich mir nichts dabei gedacht. Aber etwas Schlichteres hätte er mir nicht nennen können – niemand hätte mir dazu Komplimente machen können, ohne lächerlich zu klingen. Ich konnte nicht einmal unsere selbst angebauten Kartoffeln nehmen, weil unsere Ernte noch nicht reif war. Alle anderen Gerichte, Lachshäppchen, kunstvoll geschichtete Desserts, Essen, auf das man stolz sein konnte, wurden von Håkans Frau überschwänglich gelobt. Über den Kartoffelsalat sagte sie nichts, weil es nichts zu sagen gab. Er sah kaum anders aus als das Zeug, das man im Supermarkt bekommt …
I CH BEMERKTE:
»Håkans Frau erwähnst du gerade zum ersten Mal.«
Was eigentlich Bände spricht. Ich habe sie nicht absichtlich verschwiegen, aber es passt. Warum? Weil sie nicht mehr ist als ein Mond, der um Håkan kreist. Håkans Ansichten sind ihre Ansichten. Wichtig ist bei ihr nicht, was sie getan hat, sondern das, was sie nicht getan hat. Sie würde sich eher die Augen auskratzen, als sie zu öffnen und zu erkennen, dass ihre Gemeinde in eine Verschwörung verwickelt war. Wir sind uns oft begegnet, aber von ihrem Äußeren weiß ich nur noch, wie korpulent sie war – eine kompakte Gestalt, kein Funken Leichtigkeit in ihrem Gang, kein Tänzeln, kein Spiel, kein Spaß, kein Übermut. Sie arbeitete pausenlos, obwohl sie reich waren. Dadurch war sie körperlich stark, auf den Feldern schaffte sie so viel wie jeder Mann. Es ist seltsam, wenn eine Frau so stark und trotzdem so kleinlaut ist, so viel und gleichzeitig so wenig tun kann. Sie hieß Elise. Wir waren nicht befreundet, das merkst du schon. Aber ihre Abneigung konnte mich nicht richtig treffen, weil sie nicht ihre eigene Entscheidung war. Ihre Meinung wurde vollkommen von Håkan bestimmt. Wenn er positiver auf mich reagiert hätte, hätte sie mich am nächsten Tag auf einen Kaffee eingeladen und mich ihren Freundinnen vorgestellt. Wäre Håkan danach mir gegenüber ablehnend gewesen, hätte sie mich nicht mehr in ihr Haus gebeten, und ihr Freundeskreis hätte mich ausgeschlossen. Das einzig Konsequente an ihrer Haltung war der fanatische Glaube, Håkan habe in allem recht. Wenn wir uns über den Weg liefen, machte sie nichtssagende Bemerkungen über die Ernte oder das Wetter, bevor sie sich damit verabschiedete, sie habe schrecklich viel zu tun. Sie hat ständig gearbeitet, nie hat sie einfach mit einem Buch auf der Veranda gesessen oder war im Fluss schwimmen. Sogar ihre Feiern waren eine Art Arbeit. Sie unterhielt sich, als wäre es eine Pflichtübung –
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