Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)
und ich klopfte noch einmal, und noch während ich mir diese dicken Fäustlinge anzog, fragte ich mich, ob ich es tatsächlich wagen würde, die Tür zu öffnen und das Haus zu betreten. Wenn es nicht anders geht, setze ich mich auch über Gesetze hinweg, wie jeder vernünftige Mensch. Aber das heißt nicht, dass es mir leichtfällt.
Zieh die Fäustlinge mal an.
Heb das Glas hoch.
Merkst du es?
Sie sind zu glatt. Völlig unpraktisch. Ein Profidieb würde solche Handschuhe nie nehmen. Ich wurde nervös, als ich vor dem Haus stand und im Hochsommer mit Weihnachtshandschuhen versuchte, bei jemandem einzubrechen, und nicht einmal die Tür aufbekam. Der glatte runde Stahlknauf ließ sich einfach nicht drehen. Ich versuchte es immer wieder. Am Ende musste ich den Knauf mit beiden Händen packen. Die Tür öffnete sich, und ich ging hinein.
Noch nie musste ich für ein paar Schritte so viel Mut aufbringen wie für diese ersten Meter von der Haustür zum Fuß der Treppe. Die schwedischen Sitten und Benimmregeln sitzen bei mir so tief drin, dass ich mir sogar die Schuhe auszog, was für eine Einbrecherin eine wirklich dämliche Idee ist. Ich ließ meine Clogs am Fuß der Treppe stehen; damit hätte ich mich sofort verraten, wenn jemand nach Hause gekommen wäre.
Das obere Stockwerk hatte ich noch nie betreten. Was ich dort fand? Gib mir einen Prospekt von irgendeinem Möbelhaus, nicht zu teuer, aber auch nicht zu billig, und ich zeige dir Håkans Schlafzimmer. Es war sauber und ordentlich, mit einem Kiefernbett, Kiefernschränken, tadellos geputzt, kein Krempel auf den Nachttischen, keine Tabletten, keine Bücher, keine Stapel von schmutziger Wäsche. Die Dekoration war spärlich und unverfänglich, an der Wand hingen gerahmte Bilder von Künstlern aus der Gegend. Das war ein Ausstellungsraum, kein echtes Schlafzimmer, und was ich jetzt sage, sage ich mit Bedacht, nicht als Kritik, nicht als Beleidigung, sondern als Beobachtung von jemandem, der seit vierzig Jahren verheiratet ist – als ich mitten in diesem Schlafzimmer stand, neben einer Vase mit angemalten Holztulpen, war ich mir ziemlich sicher, dass dort niemand Sex hatte. Nichts in diesem Zimmer sprach von Sex, und ja, du hast recht, ich habe dafür keine Beweise, aber ein Zimmer sagt doch einiges aus, und ich hatte schlicht den Eindruck, dass Håkan seine sexuellen Bedürfnisse woanders befriedigt. Elise musste sich damit abgefunden haben, und zum ersten Mal tat sie mir leid, die treue Elise, gefangen zwischen diesen Kiefernmöbeln. In bin ziemlich sicher, dass diese geschmacklosen außerhäuslichen Aktivitäten für sie keine Möglichkeit waren. Sie gehörte ihm. Aber er nicht ihr.
Das letzte Zimmer auf diesem Flur musste Mia gehören. Erst dachte ich, ich hätte mich geirrt – das konnte nicht Mias Zimmer sein. Es war genauso eingerichtet wie das Elternschlafzimmer, mit dem gleichen Kleiderschrank aus Kiefernholz, sogar mit dem gleichen Kiefernbett wie ihre Eltern. Bis auf einen verzierten Spiegel hatte Mia in diesem Zimmer nichts Persönliches. Keine Poster, keine Postkarten, keine Fotos. So ein Teenagerzimmer hatte ich noch nie gesehen. Wie einsam, ohne ein bisschen Freiraum für das junge Mädchen. Alles war sauber geputzt und so eingerichtet, wie Elise es für richtig hielt. Es war wie ein Befehl – wie die Order, so zu werden wie ihre Eltern. Mia hatte zwar in diesem Zimmer geschlafen, aber es hatte ihr nicht gehört, es verriet nichts darüber, wer sie war. Es hätte genauso gut ein bequemes Gästezimmer sein können. Dann fiel mir etwas auf – dieser Geruch! Das Zimmer war gründlich geputzt worden, das Bett war gemacht, die Bettwäsche gewaschen und gebügelt. Sie war neu, es hatte noch niemand darin geschlafen, gesaugt worden war auch – es roch nach Lavendel. Und tatsächlich, in der Steckdose steckte ein voll aufgedrehter Lufterfrischer. Hätte die Spurensicherung das Zimmer untersucht, hätte sie bestimmt kein einziges Hautschüppchen von Mia gefunden. So viel Sauberkeit war schon unheimlich.
Ich öffnete den Kleiderschrank. Er war voll. Ich sah in den Schubladen nach. Auch voll. Laut Håkan hatte sie zwei Taschen gepackt. Womit?, fragte ich mich. Es schien nichts zu fehlen. Ich weiß nicht, wie viel Kleidung in ihrem Schrank war, bevor sie verschwand, deshalb habe ich keinen Vergleich, aber das Zimmer kam mir nicht so vor, als wäre es von einem Mädchen geplündert worden, das weglaufen wollte. Auf dem Nachttisch lag eine Bibel – Mia war
Weitere Kostenlose Bücher