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Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Titel: Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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also lächelte ich und sagte, es sei ja sehr nett von Norling, dass ich mir die Sprache aussuchen durfte. Allerdings käme ich aus Schweden, genau wie er, wir hätten beide den gleichen Pass, da wäre es doch seltsam, wenn wir uns beide als Schweden auf Englisch unterhalten würden, genauso gut hätten wir Latein reden können. Dann deutete er auf die leeren Plätze am Feuer und erzählte, er habe hier viele Partys gefeiert. Ich dachte bei mir:
    Darauf wette ich, Doktor. Darauf wette ich.
    Mit der Niederlage vor Augen versuchte Norling es mit dem zweiten Test, der noch hinterhältiger war als der erste. Er bot an, ich könnte einen Blick durch sein Fernrohr werfen, das auf der Veranda aufgebaut war, damit könnte ich die Schiffe auf dem Meer sehen. Dazu hatte ich zwar keine Lust, aber ich tat ihm den Gefallen. Ich sah durch die Linse und hatte schon auf der Zunge, wie hübsch der Ausblick war, wie ausgesprochen hübsch, als vor mir vergrößert der verlassene Leuchtturm auftauchte, der alte, steinerne Leuchtturm, in dem Mia gekleidet wie eine Braut gewartet hatte und an dessen Tür sie die Blumen gehängt hatte, um zu zeigen, dass sie dort war. Die Blumen hingen immer noch dort, verwelkt, schwarz und tot, wie Blumen, die jemand nach einem Unfall an den Straßenrand gelegt hat. Norling hatte das Fernrohr aufgestellt und diesen Blick gewählt. Eine schlaue, heftige Provokation. Ich drehte das Fernrohr zu der Stelle am Strand, an der ich mich hinter dem Farn versteckt hatte. Von hier aus hätte er mich sehen können – deshalb war er damals auch nicht aufgetaucht. Langsam richtete ich mich auf. Es fiel mir schwer, mich an meinen Plan zu halten, aber ich war fest entschlossen, mir nichts anmerken zu lassen. Er fragte, was ich davon hielt. Ich sagte, ich fände seinen Ausblick aufschlussreich – sehr aufschlussreich.
    Beide Tests waren fehlgeschlagen. Enttäuscht scheuchte Norling mich ins Haus, drückte auf einen Knopf, um das Feuer zu löschen, wie ein Magier, der genug von seinem eigenen Zauber hatte, und brachte mich vorbei an den Kathedralenfenstern in ein Arbeitszimmer. Hier wurde nicht intensiv geforscht, es war kein richtiges Arbeitszimmer mit Unterlagen und Notizen und Büchern mit Eselsohren, sondern eines, wie man es für haufenweise Geld von einem Innenarchitekten einrichten lässt. Die Bücher waren ebenso schön wie die Aussicht, an den wandhohen Regalen lehnten antike Bücherleitern, damit man auch an die obersten Exemplare kam. Schon auf den ersten Blick sah ich Bücher in verschiedenen Sprachen. Wer weiß, ob er sie alle gelesen hatte, oder wenigstens einige davon, diese Bücher sollten nicht gelesen, sondern bestaunt werden, sie waren Propaganda für Norlings Sachverstand. Ich überlegte, was der Leuchtturm zu bedeuten hatte. Vorher hatte ich gedacht, Norling wäre Håkans Vasall, aber vielleicht hatte ich mich getäuscht, vielleicht stand Håkan unter ihm. Norling bedeutete mir, mich zu setzen, und ich überlegte, welcher Platz die richtige Sitzhöhe und Neigung der Rückenlehne hatte, weil ich weder zusammengesunken dahocken noch schwach wirken wollte. Dabei fiel mir etwas auf seinem Sofatisch auf, der genau in der Mitte des Zimmers stand – ein Beweis. Du hast ihn schon gesehen, er ist in meiner Tasche. Kannst du ihn erraten, kannst du erraten, was dieser Mann als dritte und letzte Provokation für mich bereitgelegt hatte?

I CH ÜBERLEGTE, WELCHE GEGENSTÄNDE ich gesehen hatte, und riet:
    »Das Bibelzitat aus dem Haus des Einsiedlers?«
    Meine Mum freute sich. Sie griff in ihre Umhängetasche und legte das Zitat neben mich auf das Bett:
    »Ich habe es gestohlen. Aber nicht von Ulf, sondern von Norling!«
    »Woher hatte er es?«
    Genau! Da lag es, mitten auf dem Tisch! Das Zitat mit der geheimnisvollen versteckten Botschaft, das sie gestickt hatte, bevor sie sich erhängt hat, in einer Scheune, die nicht mehr stand, mit den Schweinen als Zuschauern. Ich vergaß, dass ich ruhig bleiben wollte, riss es an mich, drehte mich mit geballter Faust zu Norling um und fragte, wer es ihm gegeben hatte. Norling kostete meine aufgebrachte Reaktion genüsslich aus, seine Stimme legte sich wie Hände um meinen Hals. Angeblich hatte Chris ihm erzählt, ich sei von diesem Spruch völlig fasziniert, ich hätte ihn hunderte Male aufgeschrieben, ihn vor mich hingemurmelt und ihn ständig wiederholt, wie ein Gebet. Norling fragte, was diese Worte für mich bedeuteten, ich sollte ihm sagen, was meiner Meinung nach in

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