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Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Titel: Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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Ich konnte darauf nicht antworten. Meine Mum erzählte:
    »Die Räume waren sauber. Die Ärzte waren freundlich. Das Essen, das sie brachten, war annehmbar. Aber dass einem niemand glaubt, dass niemand zuhört, dass man für unmündig gehalten wird – so etwas hatte ich noch nie erlebt. Das will ich nie mehr erleben. Wenn ich wieder in eine solche Situation geraten sollte, würde ich mir das Leben nehmen.«
    »Mum, was soll das?«
    Sie schüttelte den Kopf:
    »An so einem Ort wäre ich nicht mehr deine Mutter.«
    »Wäre ich noch dein Sohn, wenn ich eingewiesen würde?«
    »Natürlich.«
    »Was würdest du tun, wenn du an meiner Stelle wärst?«
    »Ich würde dir glauben.«
    Ich legte das Tagebuch weg, nahm Mums Hand, drehte die Handfläche nach oben und fuhr wie ein Wahrsager mit einer Fingerspitze die Linien nach:
    »Erzähl mir von dem Krankenhaus.«
    »Ich will über diesen Ort nicht reden.«
    Das ließ ich nicht gelten:
    »Haben sie dich direkt dorthin gefahren?«
    Nein, sie haben mich zu unserem Hof gebracht. Chris hatte Doktor Norling überredet, es mit einer Behandlung zu Hause zu versuchen. Nicht aus Nettigkeit, glaub das nicht. Es musste so aussehen, als wäre das Krankenhaus die letzte Möglichkeit und als hätten sie alles andere versucht. Sonst hätte es verdächtig gewirkt. Unser Haus wurde zu einem Gefängnis. Nur Chris hatte einen Schlüssel. Er schaltete das Internet ab, damit ich dir nicht schreiben konnte. Ich kam nicht ans Telefon. Sie mischten mir Gift ins Essen, nicht, um mich zu töten, sondern Zauberpilze aus dem Wald, um mich verrückt zu machen. Ich sollte schreien, dass ich Stimmen in meinem Kopf hörte, sollte von haarsträubenden Visionen durchdrehen und behaupten, die Erde auf unserem Hof wäre weiß gefleckt von zermahlenen Kinderknochen, oder mit zitternder Hand auf den dunklen Wald zeigen und sagen, wir würden von gefährlichen Trollen beobachtet. Ich aß nichts mehr, was nicht noch eingeschweißt war. Aber das war kein Hindernis, eine Verpackung kann man mit einer Nadel durchstechen. Meine Zunge wurde schwarz. Mein Zahnfleisch auch. Mein Atem stank. Meine Lippen färbten sich blau.
    Als Chris einmal einkaufen war und ich die Beweise durchging, die ich gesammelt hatte, kam er zurück und überraschte mich dabei. Er wurde wütend, griff mich an und warf das gestickte Bibelzitat ins Feuer. Ich konnte es gerade noch rechtzeitig retten und zog es brennend mit der Zange heraus. An diesem Punkt beschloss er, mich einweisen zu lassen. Ich könnte das Haus abbrennen, hat er behauptet.
    Zusammen mit Doktor Norling brachte er mich zu der Anstalt. Ihr Plan war klug. Wurdest du erst einmal eingewiesen, ist deine Glaubwürdigkeit zerstört. Es ist egal, ob du am nächsten Tag entlassen wirst. Es ist egal, ob die Ärzte dich für normal erklären. Ein Anwalt könnte jederzeit vor einem Richter und den Geschworenen fragen, ob du jemals in einer Anstalt warst. Aber am Ende hat sich die Zeit im Krankenhaus als ein Segen erwiesen. Vor meiner Einweisung war ich am Boden zerstört gewesen. Ich war innerlich leer, nachdem mein Vater mich zum zweiten Mal verraten hatte. Ich hatte keine Kraft mehr zu kämpfen. Ich dachte, ich würde nie wieder stark genug sein, um jemanden zu überzeugen. An diesem Abend sagte mir der Arzt, was Chris ihm über meine Kindheit erzählt hatte, mitsamt der Andeutung, ich hätte etwas mit Frejas Tod zu tun. Ich war so wütend, dass ich jede wache Stunde damit verbrachte, die Wahrheit aufzuschreiben, die Erklärung, die du schon gelesen hast. Den Ärzten hat das genügt, um mich gehen zu lassen. Ihr Vertrauen hat mir wieder Kraft gegeben. Es war sentimental und dumm, zu meinem Vater zu fahren und an eine zweite Chance zu glauben. Ich hätte mit dir reden müssen – mit meinem Sohn, meinem geliebten Sohn! Du würdest mir zuhören. Du würdest fair sein. Zu dir musste ich gehen. Sobald mir das klar wurde, war ich so froh wie seit Langem nicht mehr.
    Vor dem Krankenhaus nahm ich ein Taxi. Alles, was ich brauchte, war in meiner Tasche, der Pass und die Bankkarte, ich konnte mit einem Taxi zum Flughafen fahren. Mir war egal, wie viel es kostete. Ich kaufte ein Ticket für den ersten Flug aus Schweden heraus. Dieses Mal würde ich die Geschichte richtig erzählen und sie mit Beweisen stützen. Dieses Mal würde ich sie jemandem erzählen, der mich immer geliebt hat.

I CH LIESS MUMS HAND LOS.
    »Mum, vertraust du mir?«
    »Ich habe dich sehr lieb.«
    »Aber vertraust du

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