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Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Titel: Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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wollte. Das war wohl meine Version eines kräftigen Händedrucks. Ohne sich etwas anmerken zu lassen, nahm er meinen Dufflecoat und hielt ihn kurz ins Licht, um ihn sich anzusehen, bevor er ihn an einen Haken hängte.
    Wir setzten uns ins Wohnzimmer neben einen elegant geschmückten Baum. Von den Ästen hingen Pfefferkuchen aus besticktem Stoff. Auf der Spitze stand kein Engel, sondern ein steifer Papierstern. Die Kerzen der Lichterkette waren mit einer Art plüschiger Baumwolle umhüllt, die das grelle Licht zu einem sanften Schimmern dämmte. Der Baumständer war Handarbeit, drei sorgfältig geschnitzte Trollgesichter streckten ihre warzenbedeckten Kinne nach außen und formten die Beine, die den Baum hielten. Daneben lag eine Reihe Geschenke in glänzendem Goldpapier mit roten Seidenschleifen. Håkan sagte:
    »Sie sind für Mia. Wir hoffen, dass sie Weihnachten nach Hause kommt.«
    Jedes einzelne Detail in diesem Zimmer war wunderbar. Aber irgendwie kam es mir eher vor wie ein Bühnenaufbau für ein perfektes Weihnachten als wie ein echtes Zuhause.
    Obwohl ich mich mit Håkan schon seit einigen Minuten unterhielt, kam seine Frau Elise nur herein, um uns Glühwein zu servieren. Sie kam aus der Küche und nickte mir zu, in den Händen ein Tablett mit zwei kunstvoll geschliffenen Gläsern, einer Schale Mandelstifte und gehackte Rosinen und einer dampfenden Karaffe Glühwein. Schweigend gab sie ein paar Mandeln und Rosinen in mein Glas, füllte es mit Wein und reichte es mir. Ich nahm es an und bedankte mich; ich fand es seltsam, dass sie meinem Blick auswich und sich nicht zu uns setzte, sondern wieder in der Küche verschwand, als sie fertig war.
    Håkan stieß mit mir an und sprach einen Toast aus:
    »Hoffen wir, dass sich Ihre Mutter bald erholt.«
    Leicht provozierend antwortete ich:
    »Und dass Mia bald nach Hause kommt.«
    Ohne auf meine Bemerkung einzugehen, sagte Håkan:
    »Der Glühwein ist ein altes Familienrezept. Die Leute fragen mich jedes Jahr danach, aber ich verrate es nie. Er ist eine geheime Mischung aus Gewürzen und verschiedenen Alkoholsorten, nicht nur Wein, also seien Sie vorsichtig, das Zeug hat es in sich.«
    Ich spürte, wie das Getränk meinen Magen wärmte. Obwohl mir die Vorsicht riet, ich sollte nur daran nippen, hatte ich das Glas bald geleert. Die gehackten Mandeln und Rosinen bildeten ein köstliches süßes Mus. Als ich schon überlegte, ob ich es mit dem Finger herausholen sollte, entdeckte ich auf dem Tablett kleine Holzlöffelchen, die genau dafür gedacht waren. Håkan bemerkte:
    »Es ist eine rührende Geste, dass Sie nach Schweden gekommen sind. Vielleicht genügt das schon, um der armen Tilde zu helfen. Aber ich verstehe nicht, was Sie sich in praktischer Hinsicht erhoffen.«
    Es störte mich, dass er meine Mum als »arme Tilde« bezeichnet hatte, und ich war sicher, dass er das beabsichtigt hatte.
    »Ich hoffe, dass ich einen frischen Blick auf die Ereignisse werfen kann.«
    Håkan schenkte mir aus der Karaffe nach:
    »Meinetwegen sind Sie jedenfalls nicht hier.«
    Ich nippte an meinem zweiten Glas Glühwein. Obwohl ich die Antwort schon kannte, wollte ich sehen, wie er auf meine nächste Frage reagieren würde:
    »Haben Sie etwas von Mia gehört?«
    Er schüttelte den Kopf:
    »Nein, nichts.«
    Er ließ die leere Hand schlaff nach unten fallen und streifte dabei mit den Fingern über das goldene Papier eines Geschenks. Es bewegte sich, obwohl er es kaum berührt hatte, und mir kam der Gedanke, es sei leer, nicht mehr als ein Karton mit Geschenkpapier. Sein Schweigen wirkte wie eine Herausforderung. Würde ich es wagen, auf einem Thema zu beharren, über das er offensichtlich nicht reden wollte? Ich nahm die Herausforderung an und sagte:
    »Es tut mir leid, dass wir über so etwas Trauriges reden müssen. Sie machen sich doch sicher Sorgen. Sie ist noch so jung.«
    Håkan leerte sein Glas, ohne es nachzufüllen, und zeigte mir damit, dass ich bald gehen sollte:
    »Ist sie das? Ich arbeite auf diesem Hof, seit ich neun Jahre alt war, und ich arbeite immer noch hier.«
    Eine seltsame Antwort.
    Als wir uns verabschiedeten, beschloss ich spontan, mir die unterirdische Werkstatt anzusehen, in der er seine Trolle schnitzte. Während sich hinter mir die Tür schloss, ging ich die Auffahrt hinunter, doch sobald ich außer Sichtweite war, duckte ich mich in die verschneiten Felder, schlich zurück zum Haus und unter das Küchenfenster und blieb ein, zwei Minuten lang, weil ich hoffte,

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