Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)
ich könnte Håkan und Elise belauschen. Aber durch die dreifach verglasten Fenster drang kein Laut. Ich gab auf, lief weiter und kam zu dem Bunker. Die äußere Tür war mit einem neuen Vorhängeschloss versperrt. Der dicke Bügel war mit zähem Kunststoff ummantelt, dieses Schloss würde kein Amateurschnüffler knacken. Durch die Felder und den Schnee machte ich mich auf den Heimweg. Unruhig drehte ich mich zu Håkans Haus um und entdeckte ihn am Schlafzimmerfenster. Auf Höhe seiner Taille flackerten elektrische Kerzen. Ich konnte nicht erkennen, ob er mich gesehen hatte.
Am nächsten Morgen wachte ich noch im Dunkeln auf und nahm mir vor, das wenige Tageslicht voll auszunutzen. Umgeben von Kerzen aß ich Sauermilchjoghurt mit Kürbiskernen, Apfelschnitzen und gemahlenem Zimt zum Frühstück. Nachdem ich mich warm eingepackt hatte, wagte ich mich in den knietiefen Schnee vor dem Haus. Am Elchfluss sah ich, dass er auf der ganzen Breite zugefroren war. Mein Dad hatte den Hof so überstürzt verlassen, dass er das Boot vergessen hatte, das man für den Winter aus dem Wasser holen sollte. Jetzt hielt der Fluss es fest gepackt, der Propeller steckte im Eis, der Rumpf wurde zusammengedrückt und zeigte deutliche Risse. Wenn das Eis im Frühling schmolz, würde das Boot leckschlagen und untergehen. Es bewies gar nichts, hatte mein Dad erzählt, die alte Cecilia hatte es nur gekauft, weil sie unter Demenz litt. Laut Håkan arbeitete ihr Verstand nicht mehr richtig – an manchen Tagen hielt sie sich für eine junge Frau, die noch viele glückliche Jahre auf dem Hof vor sich hatte.
Ich kletterte von dem Steg ins Boot. Der Motor hatte ein LED -Display, genau, wie meine Mum es beschrieben hatte. Aber es war tot, der Motor hatte nicht einmal mehr genug Saft für die Anzeige. Ich dachte an das Stückchen Eis, das meine Mum in der Lachskieme gefühlt hatte. Sie hatte recht, sie hatte an diesem Abend tatsächlich Eis gefühlt – mein Dad hatte den Fisch gekauft. Allerdings aus einem anderen Grund, als sie dachte. Im Elchfluss gab es keine Lachse. Die Lachsleiter, die einen Weg um das hübsch altmodische Wasserkraftwerk bieten sollte, hatte nicht funktioniert. Sie war schlecht entworfen. Die Lachse konnten nicht mehr wandern – es gab keine prächtigen Fische zu angeln, nur zuckende Aale und bösartige Hechte. Dad war so begeistert über den günstigen Preis gewesen, dass er Mum voreilig versichert hatte, der Fluss sei gut. Die vielen Angelbücher, die den Fluss als ideales Gewässer beschrieben hatten, waren vor dem Bau des Wasserkraftwerks erschienen. Als er seinen Fehler erkannte, wollte er ihn vertuschen, weil er Angst hatte, so kurz nach dem Problem mit dem Brunnen könnten diese Neuigkeiten meine Mum zu sehr belasten. Es war ein Fehler, aber keine böse Absicht gewesen. Håkan hatte den Lachs, einen untergeschummelten Fisch aus norwegischen Gewässern, bei einem Händler im Ort gekauft.
Ich warf einen gefrorenen Erdklumpen aufs Eis, um zu sehen, ob es tragfähig war. Weil ich es dadurch nicht erkennen konnte, schwang ich die Beine über die Bordkante und testete das Eis vorsichtig mit einem Fuß. Es gab nicht nach. Ich setzte den anderen Fuß auf und stellte mich hin, jederzeit bereit, mich nach hinten fallen zu lassen, falls das Eis knacken sollte. Aber es war dick und stabil. Ich machte mich auf den langen Weg zur Träneninsel.
Auf dem gefrorenen Fluss kam ich nur langsam voran. Ich musste vorsichtig gehen. Bis zum Waldrand brauchte ich drei Stunden, und ich bereute, dass ich weder Essen noch etwas Heißes zu trinken mitgenommen hatte. Direkt vor dem Wald blieb ich kurz stehen und betrachtete die Landschaft aus dem Trollbuch meiner Mum – sie war zeitlos und mythisch. Der Himmel war trübweiß, zwischen den Bäumen hing eisiger Nebel. An manchen Stellen teilte sich der Fluss um Felsbrocken, und das fließende Wasser war zu seltsamen Formen gefroren, zu Wirbeln und Spritzern. Durch den Schnee zogen sich kreuz und quer Tierspuren, manche Abdrücke lagen so weit auseinander, dass sie von einem Tier so groß wie ein Elch stammen mussten. Vielleicht hatte meine Mum wirklich einen Elch im Wasser gesehen – vielleicht war er so nah an ihr vorbeigeschwommen, dass sie die Hand hätte ausstrecken und ihn berühren können. Die Träneninsel war jedenfalls echt. Ich packte denselben Ast, der meiner Mum aufgefallen war. In den Baumstamm hatten sich Rillen gegraben, wo Besucher der Insel Boote festgemacht hatten.
Ich
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