Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)
zusammengewürfelten Schichten und einer Jacke improvisiert, die ich in einem Secondhand-Laden gefunden hatte. Der Dufflecoat aus Cord war ein deutlich anderes Kaliber als die Hightech-Schneejacken, mit denen die meisten anderen Leute hier herumliefen. Ich tat so, als würde ich ihren kritischen Blick nicht bemerken, und entschied mich für eine Flasche Mineralwasser und ein Käsebrot. Aus einer Laune heraus nahm ich dazu noch ein Stück von dem Kuchen, den meine Mum mit Mia geteilt hatte, der Prinzessinnentorte, einem Biskuitboden mit viel Schlagsahne und einer dünnen Schicht grünen Marzipans. Die ersten Bissen waren köstlich, aber es wurde schnell zu viel, zu weich von der Konsistenz her, als würde man gesüßten Schnee essen, und ich schob den Teller zur Seite. Ich hoffte, die Cafébesitzerin würde nicht beleidigt sein. Als ich mich zurücklehnte, bemerkte ich am Schwarzen Brett Mias Suchplakat. An den Rändern wurde es von anderen Postern und Karten überlappt, daran sah man, dass es schon eine ganze Weile dort hängen musste. Ich stand auf, ging hinüber und sah mir das Plakat genau an. Auf perforierten Abrissen stand Håkans Telefonnummer. Kein einziges Eckchen fehlte.
Als ich mich umdrehte, starrte mich die Frau hinter der Theke offen an. Es gab keinen echten Grund, aber ich war mir vollkommen sicher, dass sie Håkan anrufen würde, sobald ich das Café verließ. Solche Behauptungen hatte meine Mum immer wieder aufgestellt, und ich hatte sie angezweifelt. Es war nur ein Gefühl, mehr nicht. Aber ich hätte jede Summe darauf gewettet, dass ich mit meiner Vermutung recht hatte. Ich nahm meine Jacke und musste mich zurückhalten, nicht »Sie mich auch« zu sagen, als ich ging und leicht trotzig meine Kapuze hochschlug.
Es war erst vier Uhr nachmittags, als ich wieder auf den Hof kam, trotzdem war die Sonne schon untergegangen. Man hatte mich vorgewarnt, die Dunkelheit im Winter würde auf die Stimmung drücken, vor allem, wenn man allein in einer abgelegenen Gegend wohnte. Deshalb hatte ich einen ganzen Schwung Kerzen gekauft. Im Vergleich zu elektrischem Licht verströmte Kerzenschein Gemütlichkeit. Als ich den Kofferraum öffnete, stockte ich. Neben mir sah ich Fußabdrücke im Schnee, tiefe Spuren, die aus den Feldern kamen. Ich ließ die Einkäufe stehen und folgte den Spuren zur Haustür. An den Holzrahmen war ein persönlich überbrachter Brief geheftet.
Daniel
Die Schrift war akkurat. Ich steckte den Brief ein, holte die Einkäufe aus dem Auto und brachte sie ins Haus. Mit einer Tasse Tee und mehreren brennenden Kerzen neben mir brach ich das Siegel. In dem Umschlag steckte eine cremefarbene Karte, deren Ränder mit Weihnachtselfen verziert waren. Sie stammte von Håkan, der mich für diesen Abend zu einem Glas Glühwein einlud.
Wie meine Mum überlegte ich genau, was ich anziehen wollte, und am Ende entschloss ich mich für etwas Gediegenes. Mein Notizbuch und den Stift ließ ich zu Hause, weil ich kein Journalist war, der jemanden interviewen wollte, und es vielleicht sowieso albern gewesen war, diese Dinge hierher mitzunehmen. Ich ging früh los, weil ich pünktlich sein wollte und nicht wusste, wie lange ich für den Weg brauchen würde. Bei dem riesigen Schweinestall, der die Abzweigung markierte, dachte ich daran, dass meine Mum ihn als trostlosen Massenbetrieb beschrieben hatte. Bedeckt von Schnee wirkte alles friedlich, aber es stank durchdringend, und ich hielt mich nicht lange auf. Als ich die lange, ordentlich geräumte Auffahrt hinaufging, fiel mir ein, dass ich ein Geschenk hätte mitbringen sollen. Ich überlegte, zum Hof zurückzugehen, aber ich hatte nichts, was ich nehmen konnte. Das eingemachte Gemüse meiner Mum konnte ich schlecht verschenken.
Håkans Haus wirkte einladend. In jedem Fenster brannten elektrische Adventskerzen. Darüber hingen hübsche Spitzengardinen mit Weihnachtsmotiven, mit Elfen, die Geschenke einpackten oder sich über eine Schüssel Haferbrei beugten. Ich merkte, wie meine Vorsicht nachließ, und kämpfte dagegen an. Nachdem ich mir den Schnee von den Stiefeln getreten hatte, klopfte ich an. Håkan öffnete mir. Er war fast einen Kopf größer als ich und breitschultrig. Lächelnd schüttelte er mir die Hand, wobei er mich spüren ließ, wie fest er zupacken konnte. Als ich im Flur meine Stiefel auszog, sagte er etwas auf Englisch zu mir. Es ging mir noch nicht fließend über die Lippen, aber ich erklärte höflich, dass ich lieber Schwedisch reden
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