Ohne Kuss ins Bett
Säuberungsversuche an seinem Pullover auf und wandte sich wieder seiner Pizza zu. »Allein die Tatsache, dass ich Wissenschaftler bin, macht es mir unmöglich, das wahrzunehmen, was zu untersuchen ich mir am meisten wünsche.«
»Sie glauben also nicht, dass es Geister gibt?«, fragte Andie weiter. »Die Sache ist nur die …«
»Ich würde bezweifeln, dass es sie gibt, wenn nicht eines klar wäre: Jede Kultur hat Geister.« Dennis nahm wieder einen Bissen von der Pizza.
Andie runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht …«
»In jeder Kultur in jedem Jahrtausend gab es Menschen aus unterschiedlichsten sozialen Schichten, aus allen Altersgruppen, mit unterschiedlichster Ausbildung und Intelligenz, die Geister gesehen haben. Wenn Sie nicht an eine ununterbrochen andauernde, weltweite, über Jahrtausende reichende Halluzination glauben wollen« – wieder stieß er sein verrücktes kleines He-he-Lachen aus, das diesmal in einem asthmatischen Husten endete –, »dann muss es Geister geben.«
»Ja«, stimmte Andie zu, »ich weiß.«
Dennis biss von seiner Pizza ab, aber diesmal konzentrierte er sich nicht auf die Pizza, sondern auf Andie. Er schluckte und meinte: »Sie scheinen mir zu den skeptischen Menschen zu gehören. Nicht zu denen, die an das Übernatürliche glauben.«
»Tja, noch vor einer Woche hätten Sie absolut recht gehabt«, erwiderte Andie.
»Aber jetzt glauben Sie, dass es hier einen Geist gibt«, stellte Dennis fest.
Am anderen Ende des langen Tisches fuhr Kelly zu ihnen herum und unterbrach damit abrupt ihre Beratung mit Southie. »Was?«
»Alles, was es hier zum Frühstück gibt, ist Toast«, entgegnete Andie und bemerkte, dass Alice ihr höchst interessiert zuhörte.
»Es gibt Müsli«, sagte Alice, »und getoasteten Toast, den ich aber nicht esse.«
»Und Müsli«, rief Andie ergänzend in Kellys Richtung. Dann blickte sie Alice an. »Bist du fertig mit deiner Pizza?«
Alice schüttelte den Kopf.
»Dann iss weiter.« Andie wandte sich wieder Dennis zu. »Sie glauben also nicht, dass es Geister gibt.«
»Doch, doch, es gibt sie«, widersprach Dennis. »Wir wissen nur nicht, welchen Typs sie alle sind.«
»Welchen Typs?«
»Es gibt vier Typen. Wie die Beatles.« Er hehete wieder, aber Andie gewöhnte sich allmählich daran.
»Ah ja, natürlich«, kommentierte Andie und dachte: Jetzt bin ich auch noch an einen verrückten Wissenschaftler geraten, der sich für einen Komödianten hält .
»Der am häufigsten auftretende Typus ist die Krisenerscheinung. Sie zeigt sich innerhalb von zwölf Stunden nach einem Todesfall oder einem Koma oder was immer die Krise ist.«
»Sie zeigt sich? Wie …«
»Wie ein Geist.« Dennis lächelte ein verkniffenes kleines Professorenlächeln. »Gewöhnlich ist das jemand, der gerade gestorben ist und noch auf Wiedersehen sagen will, eigentlich mehr Telepathie als eine wirkliche Erscheinung. Krisen können diese Art von Fähigkeiten aktivieren.«
»Telepathie. Echt?«, fragte Andie erstaunt.
»So echt, wie man sie nur messen kann, aber ja, ganz echt. Krisenerscheinungen sind sehr glaubwürdig dokumentiert und passen mit dem zusammen, was wir über Telepathie wissen. Oft sind es nur Stimmen, keine optische Erscheinung im eigentlichen Sinne.«
Andie war sich sicher, dass sie innerhalb der letzten zwölf Stunden niemanden verloren hatten, und so stellte sie fest: »So etwas ist das hier nicht.«
»Dann gibt’s das Spuken«, fuhr Dennis fort. »Die Erscheinungen treten immer am gleichen Ort und zur gleichen Zeit auf, und sie tun immer das Gleiche. So eine Art Playback, he, he.«
Andie dachte an May, die jede Nacht am Fußende ihres Bettes tanzte. »Ja, so was in der Art. Sind die gefährlich?«
»Man kann nicht einmal von ›die‹ reden. Die Theorie lautet, dass es sich um Restenergie eines katastrophalen Ereignisses wie zum Beispiel eines Mordes handelt. So wie man in einem Zimmer noch das Parfüm von jemandem riechen kann, wenn der schon fort ist, so kann man die Restenergie in dem Raum sehen, nachdem die Katastrophe geschehen und vorbei ist.« Dennis pflügte weiter durch seine Pizza, während er sprach. Seine Aufmerksamkeit schien vollkommen zwischen Essen und Vortrag aufgeteilt, und Andie hatte das Gefühl, dass sein ganzes Leben nach diesem Muster verlief.
»Katastrophe«, wiederholte sie. Archer House war ganz eindeutig ein Ort, der für Katastrophen wie geschaffen war. Aber trotzdem … »Ich glaube nicht, dass es hier so etwas ist.
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