Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam
nicht«, verneinte er entschieden.
»Ich bin der enttäuschteste Mensch, der …«
Auf einmal stand Louise neben mir, blickte auf mich herab und schrie: »Das alles wegen einem Macker, der dir ’ne Abfuhr erteilt hat? Jetzt hör endlich mit dem scheiß Gejammer auf, und krieg’ dich wieder ein!«
Alle starrten sie an, dann sagte der Arzt, er würde mir zwei Beruhigungstabletten da lassen, die könnte ich notfalls nehmen. Er verabschiedete sich, und Annett brachte ihn zur Tür. Louise und Olivia gingen mit Egge hinaus, während mich Antje ins Bett brachte. »Schlaf mal ein paar Stunden darüber«, meinte sie und deckte mich mit meinem Mantel zu. Als sie aus dem Zimmer ging und die Tür leise hinter sich schloss, dachte ich: Mein Gott, wie armselig. Da lag ich, allein und wie eine Obdachlose im U-Bahn-Schacht, mit einem Mantel bedeckt.
Hatte Christoph womöglich recht, wenn er sagte, dass ich mich selbst bemitleiden würde? Er hatte gut reden. Er war nicht der Hintergangene, sondern ich.
Als ich aufwachte, war es im Zimmer dunkel, und ich konnte auf meiner Armbanduhr die Zeit nicht erkennen. Also stand ich auf und knipste das Licht an. Zehn nach sieben. Ich hatte wohl ein paar Stunden geschlafen. Die Spritze musste eine gewaltige Wirkung haben. Bei dem Gedanken, jetzt nach unten zu gehen, hätte ich mich am liebsten wieder ins Bett gelegt. Aber es half nichts, früher oder später würde ich meinen Mitbewohnerinnen sowieso begegnen.
Egge und Antje waren schon gegangen. Die drei Frauen saßen im Wohnzimmer und spielten Karten. »Hallo«, sagte ich verhalten.
Sie hoben die Köpfe, und Annett und Olivia lächelten mich an. Louise betrachtete mich nur.
»Lyn, gute Güte, hast du uns einen Schrecken eingejagt. Ich dachte, du hättest einen Nervenzusammenbruch, und wir müssten dich einweisen.«
»Annett, nicht doch«, ermahnte Olivia sie leise.
Ich schloss beschämt die Augen. »Das Ganze ist mir sehr peinlich. Mein erster Tag, und dann so was. Also, normalerweise bin ich ein umgänglicher Mensch und ticke nicht so leicht aus.«
Annett nickte lächelnd. »Antje hat uns versichert, dass du keine Verrückte bist. Aber steh doch da nicht so rum, setz dich zu uns, und nimm dir ein Marzipanherz.«
Ich setzte mich neben Olivia. Auf dem Tisch stand eine Schachtel gefüllter Schokoherzen der Marke Schwarz Konfekt. Die Schachtel war bereits halb leer. Ein paar Herzen waren in der Mitte aufgebrochen und lagen verloren auf dem Tisch herum. »Sie mag nur die mit Marzipanfüllung«, meinte Louise, als sie meinen fragenden Blick bemerkte.
»Wenn du Himbeer- oder Nugatfüllung magst, dann nimm sie dir«, forderte Annett mich schmatzend auf.
»Danke, aber ich habe richtig Hunger. Hab aber noch keine Lebensmittel eingekauft.«
»Wir geben dir etwas von uns, ist doch keine Frage. Geh einfach an den Kühlschrank, und nimm dir, was du willst.«
»Nein, nein, das will ich wirklich nicht.«
Louise sagte zu meiner Überraschung: »Es ist doch genug da – das ist kein Problem«, und Olivia nickte dazu. Nachdem sie mich aber an meinem ersten Tag schon als labile Persönlichkeit kennengelernt hatten, wollte ich nicht auch noch als Schnorrerin dastehen, und bestellte eine Pizza. Während ich darauf wartete, dass sie geliefert wurde, wollte Annett wissen, was denn genau bei meinem Mann vorgefallen sei. Diskretion war in diesem Haus wohl nicht gefragt. Auch Louise und Olivia sahen mich gespannt an und warteten. Es machte mir nichts aus, ich erzählte – und wunderte mich dabei über meine Offenheit.
Annett warf ab und zu ein: »Tss, tss«, ein, Olivia sah mich mitfühlend an, und Louise schnaubte und murmelte etwas von Tyrannen und Frauenausbeutern.
Schließlich warf sie sich eine halbe Herzpraline in den Mund und meinte: »In ein paar Monaten bist du darüber hinweg.«
»In ein paar Monaten schon? Ich weiß nicht.«
»Doch, doch.« Sie schien zu glauben, dass sie das besser wüsste als ich. Ich hatte keine Kraft zu widersprechen.
Es klingelte. Ich stand auf und nahm meinen Geldbeutel aus der Tasche. Als ich die Tür aufmachte, stand derselbe Pizzalieferant wie am Tag zuvor da. Er hob fragend die Augenbrauen. »Haben Sie gestern nicht woanders gewohnt?«
»Das war bei meinen Eltern, jetzt wohne ich hier.«
Er reichte mir die Pizzaschachtel, den Salat und die Wein flasche. »Das machen Sie doch nur, um den Wein umsonst zu kriegen.« Er sah mich belustigt an.
»Na klar.« Ich versuchte zu lächeln.
»Das macht elf
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