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Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Titel: Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly Arnold
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»Ich bin privat versichert, aber er würde das auch tun, wenn es nicht so wäre.«
    Ich ließ mir Leitungswasser ins Glas, um die Pizza hinunterzuspülen. »Ich sollte mal in seiner Praxis vorbeischauen und ihm eine Schachtel Pralinen bringen.«
    »Ich glaube, er hat gesagt, dass du ihm im Laufe der Woche deine Karte bringen sollst, für die Abrechnung.«
    »Ja, gut. Wie heißt er noch mal?«
    »Dr. Nix.«
    »Witziger Name«, kicherte ich. »Das Raumschiff ist soeben gelandet. Dr. Nix wird sich der Sache annehmen. Roger und over .« Ich lachte. Als ich in ihre fragenden Gesichter blickte, war ich mir nicht sicher, ob sie mich nicht doch für ein bisschen verrückt hielten.
    Den Sonntag verbrachte ich zuerst bei meinen Eltern. Meine Mutter war extrem gut drauf, weil sie am Vorabend Kegelmeister geworden waren. Sie machte gefüllte Pute mit Soße und Serviettenknödeln. Das waren genug Kalorien für den ganzen Tag, deshalb verzichtete ich später auf den Kuchen zum Kaffee. Irgendwann zwischen dem Essen und dem Kuchen – während meine Mutter den Tisch ab räumte und mein Vater sich auf der Eckbank zurücklehnte – erzählte ich von Christoph und seiner Chinesin. Mein Vater schüttelte den Kopf, so, wie er es immer tat, wenn er ein Tennismatch im Fernsehen verfolgte. Meine Mutter bekam so etwas, was einem Asthmaanfall wohl am nächsten kam. Sie japste nach Luft, fasste sich ans Herz (versehentlich an die rechte Seite), dann stützte sie die Ellbogen auf dem Tisch ab und faltete die Hände wie zum Gebet. Sie sah so erschrocken aus, als hätte sie gerade vom Tod eines geliebten Menschen erfahren
    »Mutter? Bitte reiß dich doch zusammen!« Ich hörte mich an wie eine Gouvernante, die ein verzogenes Gör zurechtweist, weil es immer noch nicht mit Messer und Gabel essen konnte.
    »Eine Schande.«
    »Schande? Ich betrachte es eher als Schock.« Was wollte sie mit Schande sagen? Das verstand ich überhaupt nicht. Es war keine Schande, ohne Mann zu sein. Als kleines Mädchen bin ich gut ohne Christoph klargekommen und als Teenager auch. Und in Zukunft würde ich auch ohne ihn gut weiterleben. Ich brauchte ihn nicht zum Existieren. Ir gendwann eines Morgens würde ich aufwachen und denken: Heute wird ein wundervoller Tag, und ich freue mich dar auf. Ich würde aus dem Bett springen, und mittags würde mir einfallen, dass ich noch gar keinen Gedanken an Chris toph verschwendet hatte. Irgendwann würde das passieren. Vielleicht könnte ich meine Vergangenheit mit Chris toph zu einer Art imaginärem Refugium machen, nicht vergessen, aber abgeschlossen und nicht sichtbar.
    »Was genau ist passiert?«, fragte meine Mutter mit melo dramatischer Stimme. Ich war mir sicher, dass sie nur darauf wartete, den Fehler bei mir zu finden. Es war schon immer so gewesen: Ich vertraute mich ihr an, dann knallte sie mir eine Belehrung entgegen und hielt mir mein Fehlverhalten vor. Das Schlimmste aber war, wenn sie etwas gegen mich verwendete, was überhaupt nicht Thema des Streits war.
    »Sag schon«, drängte sie.
    Außerdem hatte ich keine Lust und auch nicht die Kraft, den vorigen Tag und mein Gespräch mit Christoph in allen Einzelheiten zu schildern. »Ich kann nicht, es ist so erniedrigend und schmerzhaft.«
    »Das tut mir so leid für dich, Kind.«
    »Danke, Mutter.«
    »Was ich dich noch fragen wollte: Was sollen wir den anderen sagen, wenn sie fragen?«
    »Welchen anderen?«
    »Na, den Nachbarn und der Familie?«
    »Was? Jeder zweite in unserer Familie ist geschieden, wir haben einen ehemaligen Knacki und einen Junkie. Und was die Nachbarn angeht, starren wahrscheinlich gerade alle auf Heidelinde Behrens.«
    »Sieglinde.«
    »Meinetwegen.«
    »Und wir haben keinen Knacki und Tschunki. Hans-Peter hat sich nur gewehrt und wurde gleich wegen Körperverletzung angeklagt, und der Konrad kam in schlechte Kreise, hat seinen Fehler bereut, und die Sache ist vergessen.« Sie sah mich so entsetzt an, als hätte ich die beiden zu ihren Karrieren angestiftet. »Dass du immer auf alten Sachen herumreiten musst!« Das war ihre Art, die Dinge zu sehen. Am besten kehrte man sie so schnell wie möglich unter den Teppich, wenn sich alles gelegt hatte. Aber solange sie aktuell waren, wurden sie zur Katastrophe erklärt.
    Ganz nebenbei: Hans-Peter verbrachte seine Wochenenden in Inges Pilshütt’n, und ihm fehlte seit zwanzig Jahren ein Schneidezahn. Konrad lebte von Sozialhilfe, hatte auf seinen Unterarmen Drachen-Tattoos und trug wochen lang dieselbe

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