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Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Titel: Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly Arnold
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gleich auf. Ich hatte gehofft, dass er blass und eingefallen wirken würde, sein Gesicht von Bartstoppeln und Spuren des Alkohols in Mitleidenschaft gezogen. Nichts derglei chen. Christoph sah frisch und gesund aus, begrüßte uns lächelnd.
    Die beiden Männer wechselten Begrüßungsfloskeln, und ich trat in die Wohnung. Christoph hatte alles schon in Kartons verpackt, was mich maßlos ärgerte. »Eigentlich wollte ich meine Sachen lieber selbst einpacken.«
    »Ach so.« Er tat verlegen. »Ich hab’s nur gut gemeint, wollte dir die Arbeit abnehmen.« Als ich seinen Samariterblick sah, hätte ich ihm am liebsten ins Gesicht geschlagen. Er versuchte also, sich als Gutmenschen hinzustellen, dabei war es doch offensichtlich, dass es ihm gar nicht schnell genug gehen konnte. Außerdem hatte er einfach über meinen Kopf hinweg bestimmt, was ich mitnehmen sollte und was nicht. Er hatte sich das Recht genommen, zu selektieren, worauf ich angeblich keinen Anspruch hatte. Was mich immer wieder erschütterte, war, dass die Leute ihm den Sa mariter so kritiklos abnahmen und nie seine Motive infrage stellten. Das konnte ich in diesem Moment auch an Egge beobachten: Lächelnd und aufmunternd nickte er mir zu, als wollte er sagen, wie gutherzig Christoph doch war. Dieses Nicken war schließlich auch der Auslöser für meinen Zornausbruch: »Ich finde das nicht in Ordnung, Christoph. Du kannst doch nicht einfach hergehen und alleine entscheiden, was ich mitnehmen darf und was nicht. Vieles davon gehört uns beiden zusammen, und ich dachte, dass wir gemeinsam festlegen, wer was behalten soll.«
    Sekundenlanges Schweigen, dann ein Räuspern von Egge.
    »So hab ich das nicht gesehen, Lyn. Aber hier in dieser Kiste«, er zeigte auf einen abgewetzten, löchrigen Karton, auf dem der Aufdruck von einer Bananensorte war, »da sind deine Schuhe. In dem anderen deine Kleidung, hier deine Kosmetiksachen, dort deine Papiere, da die Fotoalben …«
    »Fotoalben?«
    »Ja, du kannst sie haben. Ich weiß ja, wie liebevoll du die Fotos immer sortiert hast, mit den witzigen Kommentaren darunter.« Ich fühlte mich, als ob mir jemand mit der Faust in den Magen geschlagen hätte. Mit voller Wucht. Es lag ihm nicht das Geringste daran, ein paar Erinnerungen auf Bildern zu behalten. Als er meinen bestürzten Gesichtsausdruck sah, kapierte er wohl, was in mir vorging, also setzte er nach: »Ein paar habe ich natürlich behalten.«
    »Ach ja? Ein Hochzeitsfoto und ein Passbild von mir? Das ist ja schön.«
    Egge machte sich daran, die Kartons zum Auto zu schlep pen. Ich drückte ihm auch das Bügelbrett und die Kaffeemaschine in die Hände, aus Prinzip, wie meine Mutter gesagt hätte. Schließlich hatte ich die Sachen gekauft. Christoph schwieg darüber. Früher hatten wir über solche Paare den Kopf geschüttelt. Wir ließen uns darüber aus, wie armselig es war, wenn man sich trennte und dann über den letzten Kaffeelöffel stritt. Ich hatte nie verstanden, warum Menschen, die sich einmal geliebt hatten, plötzlich zu Monstern wurden. Aber wie bei allem musste man wohl die tieferen Ursachen ergründen und die Dinge in ihrer Gesamtheit sehen. Plötzlich kamen mir diese Leute überhaupt nicht mehr böse oder verrückt vor. Wie viele verletzte Ehefrauen liefen da draußen herum und erkannten sich selbst nicht mehr wieder? In diesem Moment wurde mir bewusst, dass es nie wieder möglich sein würde, plau dernd zusammenzusitzen, gemeinsam Kaffee zu trinken und unbefangen über wichtige Dinge zu sprechen. Nicht der große Knall des Verlassenwerdens war das Schlimmste, sondern die Entwicklung der Trennung, Worte und Handlungen, die mehr verletzten, als man wahrhaben wollte.
    In der Küche nahm ich das Geschirr aus dem Hängeschrank und das Besteck aus der Schublade. Ich wickelte alles in Zeitungspapier und steckte es in eine große Plastik tüte. Das Geschirr war ein Geburtstagsgeschenk meiner Eltern, und das Besteck hatten mir Antje oder Markus zu Weihnachten geschenkt. Die Töpfe sollte er behalten. Vielleicht konnte mir meine Mutter etwas leihen.
    Mir war schlecht. Ich fühlte tatsächlich Brechreiz in mir aufsteigen. Das Herz tat mir weh. Es schmerzte wirklich an der Stelle. Warum konnte man kaputte Gliedmaßen und Organe reparieren, aber kein kaputtes Herz?
    Ich öffnete die anderen Hängeschränke, um zu überprüfen, ob es noch etwas gab, das mir gehörte, konnte aber nichts entdecken und klappte sie wieder zu.
    Dann traf es mich wie ein Hammerschlag!

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