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Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Titel: Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly Arnold
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Olivia. Das Buch braucht auf jeden Fall einen Untertitel. Mit dem jetzigen Titel wird nicht richtig deutlich, was du meinst.«
    »Ach so, ja. Da überlege ich mir noch was. Also, was ist? Willst du es lesen?«
    »Ist es schon fertig?«
    »Die erste Fassung, ja. Überarbeitet habe ich es noch nicht.«
    »Okay, leg es mir in mein Zimmer. Ich lese es in den nächsten Tagen.«
    »Danke, Lyn. Du bist lieb.«
    Ich ging in die Küche und machte mir einen extra starken Kaffee. Während ich darauf wartete, dass er fertig war, verdrückte ich zwei von den Schokoherzen, die immer irgendwo herumlagen. Ich erwischte Erdbeere und Marzipan. Annett hatte recht. Die Marzipanherzen schmeckten wirklich am besten. Warum hatten Süßigkeiten nur eine so tröstende Wirkung? Warum nicht Salat oder ein Glas Wasser; wäre besser für die Figur.
    Zehn Minuten später – ich hatte gerade die Tasse an die Lippen gesetzt – klingelte mein Handy. Es lag auf dem Holztisch in der Diele. Mein Display zeigte: Mutter.
    »Ja?«
    »Wir sind zu Hause.«
    Ich überlegte fieberhaft, was sie mir damit sagen wollte. Nach Sekunden des Schweigens rief sie: »Evelyn? Hallo?«
    »Ich bin noch da.«
    »Ich sagte, wir sind zu Hause.«
    »Jaaa?«
    »Du hast es vergessen.«
    In mir stieg eine dumpfe Ahnung empor. Es musste irgendetwas geben, das sie mir erzählt hatte und das in Verbindung damit stand, dass sie zu Hause war. Dann fiel es mir plötzlich ein. Sie hatten Markus vom Krankenhaus abgeholt. Richtig, Donnerstag! Ich fühlte mich furchtbar; was war ich bloß für eine Schwester? »Nein, Mutter. Ich habe es nicht vergessen«, gab ich zurück. »Aber du hast das so komisch gesagt.« Nicht genug damit, dass ich Markus’ Entlassung vergessen hatte, ich log auch noch meine Mutter an.
    »Du hast es vergessen.« Manchmal unterschätzte ich sie.
    »Nein!« Dieses Mal wollte ich nicht als eine schlechte Schwester dastehen.
    »Na gut.« Sie gab nach, und das fand ich auch irgendwie blöd. Es ließ sie als Siegerin dastehen.
    Jedenfalls hatte Markus alles gut überstanden, und meine Mutter schien mit der Situation, ihren Sohn bei sich zu haben, nicht unglücklich zu sein.
    Zehn Minuten später rief Antje an und erzählte mir, dass sie am Abend zuvor Socke gesehen hätte.
    »Ach ja?« Deshalb rief sie mich um diese Zeit an? Es war gefühlte zweihundertfünfzig Jahre her, dass ich mit ihm zusammen war, und das Telefonat hielt mich weiter von meinem Kaffee ab. Nicht mal mehr an seine Augenfarbe konnte ich mich erinnern. Gut, das war übertrieben, seine Augen hatten die Farbe von Bernstein gehabt, mit langen, dichten Wimpern. Verdammt, ich wollte endlich in Ruhe frühstücken.
    »Schlimme Geschichte.« Antjes Stimme klang traurig. Jetzt war ich doch an der Geschichte interessiert. »Und warum?«
    »Er stand im Supermarkt vor mir an der Kasse, und ich hab gedacht, der kommt dir doch bekannt vor. Aber es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich ihn wirklich erkannte, weil er sich so verändert hat.«
    »Inwiefern?«
    »Er ist einfach älter geworden, na ja, wie wir alle. Aber wenn man jemanden so lange nicht gesehen hat, fällt es halt stark auf.«
    »Sieht er immer noch gut aus?«
    »Ja, doch. Ich hab ihn angesprochen, und er hat sich sogar gefreut, mich zu sehen. Dann hat er mir erzählt, dass seine fünfjährige Tochter überfahren wurde. Seine Frau ist damit nicht fertiggeworden und hat ihn verlassen.«
    Ich spürte einen Kloß im Hals.
    »Er hätte jahrelang getrunken, sagt er, aber jetzt sei er seit drei Jahren trocken.«
    »Oje. Er war so ein netter Kerl.«
    »Er hat nach dir gefragt.«
    »Was hast du gesagt?«
    »Dass du zwar gerade deinen Mann verlassen hättest, es dir aber ansonsten gut gehe.«
    »Hmmm.«
    Antje seufzte. »Ich habe die halbe Nacht nicht geschlafen, musste dauernd an den armen Socke denken. Vielleicht hätte ich es dir wirklich nicht erzählen sollen.«
    »Ach, Unsinn«, sagte ich leichthin, »so ist das Leben. Ich bin doch kein Kind. Ich kann mit solchen Geschichten umgehen.« In Wahrheit fühlte ich mich elend.
    »Aber jetzt geht es ihm ja gut«, sagte Antje, um mich und sich selbst zu beruhigen.
    Auf dem ganzen Weg zur Arbeit musste ich an Socke denken. Meine Erinnerung an ihn verschwamm mit dem Bild, das ich mir in der Gegenwart von ihm machte. Wir alle hatten uns im Laufe der Jahre verändert. Christoph, Antje, Markus – und ich. Manches änderte sich zum Guten, manches zum Schlechten. Aber das mit Socke war einfach nur traurig. Es hatte

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