Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam
Herz auseinander und sah enttäuscht, dass es Himbeere war. »Scheiße, warum tun die nicht mehr von den Marzipanherzen hinein oder kennzeichnen sie irgendwie.«
»Aber vielleicht mögen andere Leute gar kein …«
»Ach, Unsinn. Die aus Marzipan sind die besten.«
»Wenn du meinst. Ich mag auch Erdbeere. Übrigens, hast du nicht mal gesagt, die sind eine Art Trostpflaster für dich?«
»Ja, aber weil dein Abend so schön war, gibt’s was zu feiern.«
»Ach, dafür sind sie also auch geeignet.«
Annett nickte ernst. »Für jede Gelegenheit sozusagen.« Sie griff noch mal hinein, fischte ein Herz heraus, brach es entzwei und strahlte. »Marzipan!«, rief sie glücklich. Die eine Hälfte schob sie sich in den Mund, die andere Hälfte gab sie mir.
»Du riechst nach Alkohol«, meinte sie.
»Ich habe zwei Cocktails getrunken. Die hatten es in sich, sag ich dir.«
Annett schüttelte lachend den Kopf, dann sagte sie: »Deine Augen leuchten so. Ist das wegen des Alkohols oder wegen des Kerls?«
»Keine Ahnung«, kicherte ich wieder. »Glaubst du an die Liebe auf den ersten Blick?«
Annett machte eine Grimasse, die Skepsis ausdrücken sollte. »Ach, ich weiß nicht recht. Manche behaupten das, aber wie kann denn aus einer oberflächlichen Betrachtung so etwas Großes wie Liebe entstehen? Und das angeblich innerhalb von Sekunden? Man sieht doch nur die Hülle.« Annett sah mich ein paar Sekunden an. »Warum fragst du?«
»Ich glaube schon, dass es so was gibt.«
»Du solltest nicht so viel grübeln.«
»Ich bin sowieso noch nicht so weit, auch wenn Sascha … Na ja, du weißt schon, der Richtige sein sollte.« Den Richti gen hatte ich mit den Fingern in Anführungszeichen gesetzt.
»Wenn er der Richtige sein sollte, dann kann er dein gebrochenes Herz mit Sekundenkleber wieder herstellen.«
Ich sah sie verwirrt an. »Mit Sekundenkleber?«
»Du weißt schon, was ich meine. Der Sekundenkleber steht für Sascha, sein ganzes Wesen und seine Persönlichkeit.«
Ich massierte mir die Schläfen und versuchte, Klarheit in meine Gedanken zu bringen. »Aha.«
Annett nickte nachsichtig.
»Sieht er nicht richtig gut aus, Annett? Ich meine, ist er nicht verflucht sexy?«
»Mein Typ ist er nicht, aber er sieht ganz lustig aus, ja.«
Ich konnte wieder nicht schlafen, dabei war ich körperlich total müde. Also schaltete ich das Licht wieder ein und begann zu lesen. Während ich Olivias Manuskript las, tat ich mir fast ein bisschen leid. Nicht genug, dass die Geschichten wirklich absurd waren, Olivia hatte Schwierigkeiten sich auszudrücken, und das Manuskript wimmelte vor Rechtschreibfehlern. Ich sah einfach keinen Sinn dar in, zu lesen, wie sie im Supermarkt in der Schlange stand und den Leuten erzählte, sie wäre seit gestern aus Afrika zurück und hätte seitdem Schwindelanfälle und Schweißausbrüche. Die Angesprochenen liefen weg, und sie hatte die Kasse für sich allein. Oder wie sie im Café saß und so tat, als würde sie telefonieren. Sie sagte laut in den Hörer: »Lass es wie einen Unfall aussehen«, und die Leute fingen an zu tuscheln. Ich kapierte die Moral dieser Geschichten nicht.
Auf Seite fünfundvierzig döste ich langsam ein – als Olivia gerade beschrieb, wie sie beim türkischen Gemüsemann mit Tomaten jonglierte, statt sie zu kaufen. Er beschimpfte sie, und Olivia war froh, ihn nicht verstanden zu haben. Als sie darauf bestand, die Tomaten zu kaufen, zischte er: »Ey, hau ab, verrückte Frau. Oder hol ich Polizei und Doktor für die Koff!« Olivias Fazit war, dass man hinnehmen musste, dass manche Leute keinen Humor hatten – und die heilende Wirkung sah sie darin, dass man durch die Überwindung, sich in solche Situationen zu begeben, mehr Selbstbewusstsein bekam. Großer Gott! Olivia war ein netter Mensch, aber offenbar hatte sie auch einen Knall.
Plötzlich hörte ich von unten laute Stimmen. Es war Olivia, die weinte. Ich legte den Stapel Papiere zur Seite und setzte mich auf. »Es tut so weh!«, hörte ich Olivia rufen. War sie verletzt?
Ich sprang aus dem Bett und schlüpfte in meine Hausschuhe.
Unten angekommen, sah ich, wie Annett und Olivia im Wohnzimmer saßen und Annett Olivias Hand tätschelte. In der anderen Hand hielt Olivia ihr Gesicht vergraben.
»Was ist denn los?«, wollte ich wissen.
»Es ist furchtbar«, jammerte Olivia.
Plötzlich stand auch Louise hinter mir. »Verdammte Scheiße, ich hör euch bis nach oben. Was ist denn passiert?«
Louise und ich gingen auf die
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