Ohne Skrupel
mit
seinem Headhunter. Es war dies weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige,
Ort um dem Unbekannten hinterherzuschleichen.
***
Verdammt! Das zu beobachtende Objekt
hatte ihn bemerkt. Der große, sportliche Mann mit dem brutalen Gesicht hätte es
beinahe vermasselt! Gut, dass er noch rasch im Getümmel auf dem Marienplatz
untertauchen konnte. Das nächste Mal musste er unbedingt vorsichtiger sein und
nicht so nahe heran gehen. Leider war eine weitere Verfolgung an diesem Tag
nicht mehr möglich. Das war natürlich ärgerlich! Er spürte förmlich körperlich,
dass er hier etwas Wichtiges verpasste. Aber bei diesen Menschenmassen war eine
Beobachtung aus der Ferne einfach nicht möglich. Sein Auftraggeber würde
verärgert sein, aber er musste es ja nicht erfahren.
***
Weihnachten im Hause Santa Cruz war
einfach zu beschreiben: sehr laut, sehr bunt und sehr chaotisch! Auch 2009
bildete da keine Ausnahme. Man hatte sich dieses Mal darauf geeinigt, bei Oma
und Opa Rossellini, den Eltern von JPs Mutter, in Berlin zu feiern. Opa war
schwer gestürzt und hatte sich das rechte Bein zweimal gebrochen und Oma konnte
ihre beiden Hunde diesmal nicht bei ihrer Freundin unterbringen. Damit war sie
auch nicht fähig zu verreisen. Ihrem Mann traute sie es nicht zu, die Hunde
nach ihren Vorstellungen alleine zu versorgen und außerdem würde sie ihren
Giovanni zu Weihnachten natürlich nicht alleine lassen. Also kam ein Teil der
Sippe, sofern sie gerade in Deutschland weilten, eben nach Berlin.
Das Haus der Rossellinis
in Berlin-Zehlendorf war zwar groß, aber dennoch viel zu klein für diese Menge
an Personen. Es war rappelvoll mit italienischer, amerikanischer, deutscher,
argentinischer, französischer „Familia“. Alle Sprachen wirbelten wild
durcheinander und es gab keine Ecke im Haus, die man kurz für sich alleine
beanspruchen und wieder zur Ruhe kommen konnte. Viele der Familienmitglieder
hatten sich zuletzt vor einem Jahr oder länger getroffen und hatten sich
dementsprechend viel zu erzählen. Von den Anwesenden, immerhin 21
Familienmitglieder, waren mehr als die Hälfte Frauen, und somit gab es nochmals
mehr zu erzählen und sich gegenseitig zu berichten. Es waren alle Altersklassen
und Verwandtschaftsgrade vertreten, der Älteste in der Runde war Opa Giovanni
mit seinem 76 Jahren, die Jüngste die kleine Sabina von Cousin Carl mit ihren drei
Jahren. Wenn sich zwei männliche Familienmitglieder trafen, lief das Gespräch
in etwa folgendermaßen: „Wie geht’s Dir?“ „Danke, gut und Dir?“ „Danke auch
gut. Und wie geht’s Deiner Frau und den Kindern?“ „Danke, gut und bei Dir?“
Damit war alles über die
Familienangelegenheiten seit dem letzten Treffen erzählt. Dann konnte man sich
zusammen ein Bierchen gönnen und über die wichtigen Themen des Lebens wie
Frauen, Urlaub, Fliegenfischen, Fußball etc. unterhalten.
Wenn sich zwei weibliche
Familienmitglieder – speziell, wenn sie mit dem Temperament einer Italienerin,
Argentinierin oder Französin ausgestattet waren – mal wieder nach einiger Zeit
trafen, dann zog sich alleine schon die freudige Begrüßung bis zu 20 Minuten
hin. Dann näherte man sich langsam über Kindergarten-, Arbeits-, Schul-,
Gesundheits-, Ehe-, Freundschafts-, Nachbarschaft- und moralischen oder
unmoralischen Themen einander an, um nach ausladendem Anlauf zum eigentlichen
Kern der Frage „Wie es denn um das persönliche Wohlbefinden bestellt sei?“ zu
kommen. Diese weibliche Vorgehensweise war durchaus zielführend, wenngleich sie
mehr Zeit in Anspruch nahm, einen sensationellen Geräuschpegel erzeugte und bei
entsprechend hoher Frauendichte bei den Männern zu Kopfschmerzen, Unlust sowie
echten Panikattacken führte.
Und genau an dem Punkt
war JP schon nach den ersten zwei Stunden. Aber er war wohl nicht der Einzige.
Eine kleine Gruppe der Männer verdrückte sich anfänglich „zum Rauchen“ auf die
Terrasse und bibberte im kalten Wind. Bald schon kamen immer mehr Männer von
drinnen nach draußen und brachten Decken, Handschuhe, Glühwein und kaltes Bier
mit. Komischerweise war nur ein „echter“ Raucher dabei, aber das störte die
gute Stimmung in keinster Weise. Sogar Opa Giovanni mit seinem Gipsbein saß
halb auf dem Terrassentisch und diskutierte in seinem furchtbaren Italodeutsch
oder in breitem neapolitanischem Dialekt mit den anderen Männern auf der
Terrasse.
Der Geräuschpegel war
bald höher als bei den Frauen im Wohnzimmer,
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