Ohne Skrupel
JP einen
speziellen Kollegen aus der Maschinenbauwerkstatt, also einem ganz anderen
Bereich, lange Zeit stark im Verdacht. Das nervöse und irgendwie linkische
Verhalten von diesem Kerl war JP schon mehrmals negativ aufgefallen. Deshalb
hätte er ihn gerne unter die Lupe genommen, aber leider hatte dieser rein
handwerklich tätige Kollege keinen Computer. Somit konnte JP wenig elektronisch
überwachen. Auf der dieses Jahr recht bescheiden ausfallenden Weihnachtsfeier
stellte sich dann allerdings im Gespräch mit einem anderen Kollegen heraus,
dass besagter Mitarbeiter aus der Werkstatt irgendein schweres Nervenleiden
hatte und deswegen ständig in ärztlicher Betreuung sein musste. Das erklärte
damit natürlich auch das nervöse, linkische Verhalten und so konnte ihn JP
wieder von seiner Verdächtigungsliste streichen.
Ganz kurz nach
Jahreswechsel wurde JP allerdings fündig! Die Sache begann sich zuzuspitzen.
***
Es war kurz vor Weihnachten. Die
Einkaufsstraßen in Münchens Zentrum waren schön geschmückt mit Lichterketten,
die Fenster der Geschäfte waren prachtvoll dekoriert, es leuchtete und blinkte
an jeder Ecke und es war sogar schon ein bisschen Schnee gefallen. Außerdem war
es bitterkalt. Die Fußgänger, eingehüllt in ihre dicken Mäntel, zogen sich die
Kopfbedeckung tief ins Gesicht und schmiegten sich, schon beinahe Hilfe
suchend, eng an die Hauswände der Geschäftshäuser, einfach um dem eisigen Wind
ein bisschen zu entgehen. Franz Korber hatte einen persönlichen Termin im
„Ratskeller“, einem Traditionsrestaurant im Kellergewölbe des wunderschönen
Münchner Rathauses, direkt am Marienplatz. Vorher war er noch über den
Weihnachtsmarkt geschlendert und hatte gehofft, für seine beiden „Engelchen“,
seine Töchter Janine, 7, und Nicole, 9 Jahre, noch irgendein kleines,
zusätzliches Geschenk zu finden. Leider Fehlanzeige.
Es waren Himmel und Hölle
an Menschen unterwegs und man wurde nur noch von einem Stand zum nächsten
geschoben. Franz hasste dieses Gedränge und außerdem mochte er den
Weihnachtsmarkt am Marienplatz noch nie, – jetzt wusste er auch wieder warum –
Kitsch und Ramsch in jeder Bude. Die Weihnachtsmärkte Chinesischer Turm,
Münchner Freiheit, Wittelsbacher Platz oder Residenz Höfe waren dagegen eine
wahre Offenbarung! Viel weniger frequentiert, weniger touristisch, viel schöner
und tausendmal stimmungsvoller!
So begnügte sich Franz
mit einem Glas Glühwein und unnötigerweise aß er auch noch eine extralange
Bratwurst. Zumal er zum Essen verabredet war und dafür eine stille Nische im
Rathauskeller reserviert hatte, hätte er sich diese zusätzlichen Kalorien
wirklich sparen können. Lecker aber unnötig! Aber was soll's – man muss die
Feste feiern, wie sie fallen. Und eine Bratwurst und Glühwein gehören einfach
zu einem Bummel über den Weihnachtsmarkt. Es war zwar erst später Nachmittag,
aber dennoch schon fast dunkel. Franz war ein bisschen früh dran und überlegte
gerade, ob er schon etwas früher in das warme Restaurant gehen und sich
aufwärmen sollte. Er hatte einen ersten Sondierungstermin mit demselben
Headhunter, der ihn vor Jahren an die Firma Malinger vermittelt hatte. Als
Franz seine Hand an der Tasse Glühwein wärmte und dabei interessiert die
Menschen um sich herum beobachtete, fiel ihm unvermittelt ein großer,
sportlicher Mann auf, der sich offensichtlich bemühte, besonders unauffällig
für Franz zu sein und möglichst jeglichen direkten Blickkontakt mit ihm zu vermeiden.
Der Mann war gut Ende 40,
hatte helles Haar und ein breites, irgendwie brutal wirkendes Gesicht. Hinter
den Handschuhen konnte man stark behaarte, kräftige Unterarme mit Tätowierungen
erkennen und trotz Wintermantel sah man den extrem muskulösen Körperbau. Franz
überkam ein eisiges Gruseln! Er bekam Herzrasen. Irgendwie faszinierte ihn
dieses brutale Gesicht! Vielleicht hatte er es schon irgendwo, wenn auch nur
flüchtig, gesehen. Franz überlegte angestrengt, welcher Art das so plump
versteckte Interesse dieses Mannes an ihm sein könnte. Er kam eigentlich nur
auf ein „erotisches Interesse“ und versuchte den Mann einer seiner Schwulen-Bar
Besuche zuzuordnen. Franz war drauf und dran, es mit einem Kontaktgespräch
herauszufinden, als der Mann unvermittelt seinen Mantel zuknöpfte und rasch in
den Menschenmassen auf dem Marienplatz verschwand. Franz wäre ihm beinahe
gefolgt, ermahnte sich aber dann eines Besseren und eilte zu seinem Termin
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