Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
strenge Schule. Und da ist es üblich, dass sich einige der Abgänger diese Tätowierung auf den Hintern machen …“
„Und was ist das mit diesen Buchstaben?“, fiel ihm Sabrina ins Wort.
„Sie meinen das n.s.s.v.d.? Meinen Sie …“, fragte Benny und blickte ihr dabei tief in die Augen.
„Na, los Kollege, sag schon!“, warf Michael Schauß sofort dazwischen.
„Das ist die Abkürzung für einen Spruch, der über dem Eingang der Schule hängt: Non scolae, sed vitae, discimus!“
„Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir“, übersetzte Tannenberg und ergänzte mehr für sich selbst: „Das bedeutet aber, dass die Suche nach den Leuten, die sich diese Tätowierung haben anbringen lassen, ganz schön schwierig wird.“
„Das ist richtig, Herr Kollege“, stimmte Benny de Vries zu. „Vor allem, weil wir nicht genau wissen, wie viele sich das haben machen lassen.“ Er warf für einen kurzen Augenblick die Stirn in Falten. „Ich weiß zwar von meinem Jahrgang ungefähr, wer das war. Aber genau nicht.“ Dann ereilte ihn ein Geistesblitz. „Aber vielleicht hat ja der Hausmeister, der uns die Tätowierungen gemacht hat, ein Buch, wo er reingeschrieben hat, wie seine Kunden heißen. – Darf ich mal schnell in Venlo anrufen? Ich will meinen Kollegen sagen, dass sie den Mann an der Schule besuchen sollen.“
„Klar können Sie anrufen. Das ist ’ne sehr gute Idee. Vielleicht bringt uns das ja endlich auf eine heiße Spur!“, freute sich Tannenberg, während Benny sich zu Petra Flockerzies Schreibtisch ans Telefon begab.
Plötzlich blieb er stehen. „Oh verflixt!“
„Was ist denn?“
„Ich habe gerade daran gedacht, dass unser alter Hausmeister wahrscheinlich gar nicht mehr dort arbeitet. Der ist bestimmt schon in Rente.“
„Na, aber Ihre Kollegen werden die Adresse des Mannes schon irgendwie rauskriegen.“
„Ja, die schaffen das schon“, antwortete Benny de Vries mit einem unglaublich breiten, verschmitzten Lächeln auf den Lippen, das erst aus seinem Gesicht verschwand, als sich sein holländischer Kollege am anderen Ende der Leitung meldete.
Was nun an fremdländischer Lautproduktion folgte, war für die Beamten der Kaiserslauterer Mordkommission ein derart unverständliches Kauderwelsch, dass der holländische Polizist sich dazu veranlasst sah, die im Raum deutlich spürbare Aversion gegenüber seiner Muttersprache mit einem adäquaten Kommentar zu versehen: „Für uns klingt das Deutsche genauso merkwürdig, wie für Sie das Niederländische. Aber wir lernen wenigstens die Sprache unserer Nachbarn. Würde den Deutschen auch nichts schaden!“
Der Rüffel verfehlte seine Wirkung nicht.
„Sie haben Recht! Wieso sprechen Sie denn eigentlich so gut Deutsch, Herr de Vries?“, wollte Tannenberg wissen.
„Weil ich es an dieser Schule lernen musste. Und man mich nachher, eben weil ich die Sprache gelernt hatte, bei der holländischen Polizei für Kontakte zu den deutschen Kollegen eingesetzt hat. Außerdem bin ich mit einer Deutschen verheiratet. Wir haben drei Kinder, die beide Sprachen fließend sprechen. Vereintes Europa eben – in der Praxis.“
Spürbare Erleichterung machte sich bei Michael Schauß breit, dem der holländische Kollege mit einem Male weitaus sympathischer war.
„Gab’s denn an Ihrer Schule viele Ausländer?“, fragte Tannenberg.
„Ja, das ist eine internationale Schule. Aber warum interessiert Sie das?“
„Weil einer der Toten beschnitten war.“
De Vries lachte. „Ach so, Sie meinen, das würde auf jemanden hindeuten, in dessen Kultur oder Religion so etwas verbreitet sei. Na, ich weiß nicht … Übrigens haben mir meine Kollegen gerade gesagt, dass sie im ganzen Land die Vermisstenmeldungen überprüft hätten. Aber bisher sind sie nicht fündig geworden – so kann man doch sagen, oder?“
„Ja, klar“, entgegnete Wolfram Tannenberg und informierte danach seinen holländischen Kollegen detailliert über den aktuellen Ermittlungsstand der Kaiserslauterer Mordkommission.
„Ihr habt doch bestimmt alle Hotels hier in der Stadt überprüft, oder?“
„Ja, haben wir“, antwortete Kommissar Fouquet. „Aber keine Hinweise auf vermisste Personen entdeckt.“
„Und was ist mit den Campingplätzen und den Jugendherbergen?“
„Stimmt, die haben wir noch nicht abgeklappert! Nur Pensionen und Hotels“, stellte Tannenberg selbstkritisch fest. Ein Blick auf seine kopfschüttelnden Mitarbeiter überzeugte ihn von der Richtigkeit seiner
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