Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
Pathologe legte, während er diese Sätze vorlas, die betreffenden Gegenstände auf den Küchentisch des Hauptkommissars, ergriff die leblos seitlich an Tannenbergs apathischem Körper herabhängende Hand und drückte sie fest.
„Herzlichen Glückwunsch zu dieser segensreichen Anschaffung – einer Anschaffung, die ja eigentlich gar nicht diesen Namen verdient, weil du dir dieses, vor allem in deinem fortgeschrittenen Alter so eminent wichtige Ding wohl nie angeschafft hättest.“
„Wa … Warum auch?“, stammelte Tannenberg. „Was soll ich denn mit so was? Ich hab doch überhaupt keinen Schnurrbart.“
„Schnurrbart? Pappalapapp! Darum geht’s doch auch gar nicht!“
„Ja, um was denn dann?“
„Na darum zum Beispiel, dass du dich, wie man allerorten vernehmen kann, todesmutig auf Freiersfüße begeben hast. Und darüber freuen sich natürlich deine dir nahestehenden Mitmenschen.“ Er ging einen Schritt auf Heiner zu. „Oder etwa nicht?“
„Klar! Aber davon weiß ich ja noch gar nichts. – Wer ist denn das bedauernswerte Geschöpf?“
„Bedauernswertes Geschöpf! Das ist gut, Heiner! Wirklich gut! Man merkt, dass du den Herrn hier auch schon einige Zeit kennst.“ Er wandte sich wieder zu Tannenberg. „Ach so, ich verstehe, unser Herr Hauptkommissar macht mal wieder ein Geheimnis daraus, dass er brünstig ist.“
Tannenberg hatte sich wieder ein wenig gefangen und ging nun zur Gegenoffensive über. „Brünstig? Was faselst du denn da bloß wieder für einen ausgemachten Blödsinn zusammen? Wenn es in dieser Hinsicht etwas Konkretes zu erzählen gäbe, würdet ihr doch wohl die Ersten sein, die es von mir höchstpersönlich erfahren würden.“
Man sah der skeptischen Mimik seiner beiden Skatbrüder an, dass sie nicht unbedingt bereit waren, dieser Aussage Glauben schenken zu wollen.
„Rainer, sag mir jetzt lieber mal, was ich mit diesem komischen Ding hier eigentlich anfangen soll!“
„Ganz einfach: Dir diese ekligen, dicken schwarzen Haare entfernen, die im fortgeschrittenen Männeralter an allen möglichen – oder sagen wir besser: unmöglichen – Stellen unaufgefordert zu sprießen beginnen.“ Dr. Schönthaler rümpfte angewidert die Nase, „unter anderem aus und auf deinem Riechkolben, deinen Ohren usw.“ Er schüttelte sich wie ein nasser Eisbär. „Und das mögen die von uns auch noch in höherem Lebensalter doch ab und an noch angeschmachteten Vertreterinnen des anderen Geschlechts nun ganz und gar nicht.“ Er hob wie Lehrer Lämpel den Zeigefinger. „Geradezu mit Abscheu begegnen sie diesem Fluch der Natur. Mit anderen Worten: Es kotzt sie geradezu an, sich von solch einem ungepflegten, affenähnlichen Barbaren angrapschen oder gar küssen zu lassen!“
Bewegungs- und kommentarlos beobachteten die Tannenberg-Brüder die bühnenreife Vorstellung des Gerichtsmediziners, der immer noch keine Ruhe gab.
„Wolf, stell dir doch mal ernsthaft vor, du wärst so ein zartes, wohlriechendes Geschöpf. Du hättest dich gerade in einem wohltemperierten Jasminblüten-Cremebad geräkelt, dich in einen weichen, mollig warmen Bademantel gehüllt … – Vermagst du mir inhaltlich zu folgen?“
Der Angesprochene brummte nur kurz, blies die Backen auf, zuckte mit den Schultern.
„Und dann kommt so ein haariges Monster und will dich küssen und begrapschen.“ Wieder schüttelte er sich. „Das ist doch eklig, oder?“
„Na ja“, sagte Tannenberg.
„Jungs, ich denke, wir sollten jetzt endlich damit anfangen, eine gepflegte Skatrunde hinzulegen“, sagte Heiner, den diese humoristischen Einlagen allmählich zu langweilen schienen. Anschließend setzte er sich an den Tisch und begann damit, die Karten zu mischen und auszugeben.
Der Gastgeber räumte kopfschüttelnd und schmunzelnd die Geschenkutensilien auf die Anrichte, entkorkte zwei Faschen Barbera d’Alba, schenkte seinen Skatbrüdern ein und servierte unter lautstarken Beifallsbekundungen den Antipasti-Teller und die ofenwarmen Chiabattas.
Als Tannenberg bei einem verlorenen Null-Ouvert als letzte Karte den Herz-Buben ablegte und sein Bruder triumphierend die Karte emporhob und sie ihm vor die Nase hielt, musste er unwillkürlich an Max denken.
„Rainer, hast du eigentlich schon mitgekriegt, dass Mariekes Freund nach einem Motorradunfall im Koma liegt?“
„Marieke hat einen Freund?“
„Na ja, in ihrem Alter ist das ja wohl eher ein kurzzeitiger Lebensabschnittsbegleiter“, bemerkte Heiner abschätzig – und wurde
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