Ohnmachtspiele
Informationen weiterzugeben. Dann wäre die Nacht am Zug, die Neonröhren eine Zeitlang abschalten vergessen, die Unsicherheit arbeiten lassen, auf die Macht des Zweifels und die Schwächen des Verstandes hoffen. Und vor allem darauf, dass die beiden Serben emotional so geschädigt waren wie die meisten Kriminellen; dass sich ihr Vertrauen in den Komplizen bald erschöpft hatte; dass zumindest einer der beiden seine eigene Haut retten wollte, und sei es um den Preis des Verrats.
Schäfer drückte Bruckner die Hand, klopfte ihm auf die Schulter und verließ die Justizanstalt. Obwohl es fast eine Stunde zu seiner Wohnung im sechzehnten Bezirk war, beschloss er, zu Fuß nach Hause zu gehen. Luft und Bewegung, die Diener der Müdigkeit, die ihm an diesem Abend hoffentlich gewogen wäre. Kurz nach acht sperrte er die Tür zu seiner Wohnung auf. Noch bevor er seine Jacke ausgezogen hatte, ging er zur Stereoanlage und legte eine CD der Beach Boys ein. Später saß er mit einem Teller Chili con Carne aus der Dose vorm Fernseher und schaute sich eine Dokumentation über die Aufhebung der Todesstrafe in Illinois an. Die Augen wurden ihm schwer. Doch er wollte noch nicht einschlafen. Wollte noch ein paar Minuten diese Müdigkeit genießen, die eine andere Qualität hatte als die Kraftlosigkeit der Tage zuvor. Eine rechtschaffene Müdigkeit, dachte er, wie der Bauer, der nach dem Einbringen des Heus am Tisch sitzt und mit seinen klobigen Händen kaum noch den Löffel halten kann, mit dem er sich aus der gusseisernen Pfanne bedient, in der eine mächtige Portion Kasspatzl dampft. Hm, Kasspatzl, dachte Schäfer, wie bei der Oma damals, mit der Kruste aus geröstetem Zwiebel und braungebranntem Käse am Boden der Pfanne; dann schlief er ein. Um halb eins weckte ihn das Telefon.
„Bergmann“, brummte er verwirrt, „ich hoffe, das geht wirklich nicht ohne mich.“
„Tut mir leid … wir haben eine Tote. Eine junge Frau in Hietzing. In der Badewanne ertrunken.“
„Holen Sie mich ab?“, fragte Schäfer und legte auf, ohne auf Bergmanns Zustimmung zu warten.
7
„Viel zu kalt für die Jahreszeit“, murrte Schäfer, nachdem er die Wagentür zugeschlagen hatte, und rieb sich fröstelnd die Hände, „was ist passiert?“
„Der Ehemann hat kurz nach elf angerufen … seine Frau, Laura Rudenz, hätte sich im Bad eingeschlossen, wahrscheinlich wäre ihr was passiert …“
„Warum hat er nicht aufgebrochen? Hat die Upperclass jetzt auch schon im Bad Sicherheitstüren?“
„Keine Ahnung. Mehr als dass sie jetzt tot in der Wanne liegt, weiß ich auch noch nicht.“
„Kommt der Koller?“
„Nein … oder wollen Sie ihn mitten in der Nacht anrufen und samt Gipsbein herschleppen?“
„Stimmt … wie lang liegt der noch?“, fragte Schäfer, dem kurzzeitig entfallen war, dass ihr erster Gerichtsmediziner sich beim Bergsteigen einen komplizierten Unterschenkelbruch zugezogen hatte.
„Zehn Tage bestimmt.“ Bergmann bog in eine Hauseinfahrt ein und parkte hinter dem dort stehenden Streifenwagen.
„Noble Hütte“, stellte Schäfer fest, als sie über den gekiesten Weg zur Haustür gingen. Sie läuteten und betraten das Haus. Eine junge Polizistin in Uniform kam ihnen entgegen und bemühte sich, den Sachverhalt zu erklären. Sie war ungesund blass und ihre Stimme überschlug sich immer wieder – wahrscheinlich ihre erste Leiche, mutmaßte Schäfer.
„Setzen Sie sich erst einmal irgendwohin und trinken Sie einen Saft oder sonst was mit Zucker … bevor Ihnen noch der Kreislauf zusammenbricht.“
Die Polizistin schlug schuldbewusst die Augen nieder, führte sie ins Wohnzimmer und ging dann in die Küche. Auf einer weißen Couch saß der Ehemann der Toten, ein schlanker blonder Mann von höchstens dreißig Jahren, ihm gegenüber ein uniformierter Polizist. Sie stiegen die breite Treppe in den ersten Stock hinauf, wo sie den Notarzt antrafen. Der bestätigte Schäfer den Tod der Frau und führte ihn zum Badezimmer.
„Wer war aller drinnen?“, fragte Schäfer und blieb auf der Schwelle stehen.
„Ihre beiden Kollegen, Herr Rudenz und ich“, antwortete der Arzt.
„Hm.“ Schäfer nahm sein Handy heraus, rief die Spurensicherung und anschließend Föhring an.
„Was schätzen Sie, wie lang sie schon tot ist?“
„Das Wasser war noch handwarm … mittelstarke Leichenstarre … drei … vier Stunden wahrscheinlich, aber …“
„Aber das sollte ein Pathologe klären“, beendete Schäfer den Satz und ließ seinen
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