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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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möglicherweise Fahrlässigkeit mit Todesfolge; und dieser Schweizer: Selbstverschulden, möglicherweise unterlassene Hilfeleistung. Das kann ich Ihnen auch gern auf einen Notizzettel schreiben, den Sie ab jetzt immer bei sich tragen. Sie bekommen keine Leute, es gibt keine außertourlichen Überstunden, wir schauen, dass so schnell wie möglich das neue Jahr da ist. Basta. Wenn ich dieses Thema noch einmal höre … raus jetzt!“
    Schäfer nickte nur und verließ langsam den Raum. Als er schon bei der Tür war, hörte er Kamp noch sagen: „Und wenn Sie mir noch mal so kommen wie eben, dann übernehmen Sie entweder meine Stelle oder Sie verziehen sich an den Bodensee und kontrollieren dort die Angelscheine.“
    Auf dem Weg zurück ins Büro bekam Schäfer weiche Knie. Noch nie hatte er Kamp in so einem Zustand gesehen. Der Oberst, der alte Dickhäuter … wenn nicht einmal mehr er den Speeren ihrer Gegner standhielt, wer dann? Schäfer! Du selbstmitleidiger Wurm! Denkst, dass der Oberst auf dir herumtrampelt, während sein Furor doch immer zuerst eure gemeinsamen Widersacher abschrecken sollte. Und jetzt kam Koloss Kamp ins Wanken? Das durfte nicht geschehen!
    Am Nachmittag fuhr er mit Bergmann nach St. Pölten, um sich das Wrack anzusehen, in dem Rudenz umgekommen war. Sie sprachen mit einem der Forensiker, der inzwischen die Untersuchungen der Lackspuren abgeschlossen hatte. Wenn man eventuelle unbekannte Kleinhersteller außer Acht ließ, handelte es sich bei dem Auto, das den Unfall verursacht hatte, um einen schwarzen Range Rover der vorletzten Serie. Das Landeskriminalamt hatte diesbezüglich der letzten Presseaussendung einen Zeugenaufruf angehängt. Österreichweit waren achthundertfünfzig Fahrzeuge dieses Modells zugelassen, der Großteil davon in Wien – was bei einem schweren Geländewagen nicht nur unlogisch war, sondern auch die Ermittlungsarbeiten verkomplizierte. Schäfer ging schließlich davon aus, dass er es mit jemandem zu tun hatte, der in Wien oder Umgebung wohnte. Der Ort war sorgfältig ausgewählt worden, ebenso die Zeit. Bedingte eine gewisse Vorbereitungsphase. War er in den Tagen vor dem Unfall die Strecke abgefahren? Hatte ihn dabei jemand beobachtet? Und was machte er jetzt mit dem Wagen? Er würde ihn wahrscheinlich nicht einfach in die nächste Werkstatt bringen und reparieren lassen. Der Zeugenaufruf in den Zeitungen war ja nicht nur eine Chance für die Ermittler, sondern auch eine Warnung an den Täter: Versteck deinen Wagen in der Garage, lass ihn irgendwo in Ungarn oder Slowenien reparieren. Oder reparier ihn einfach selber, dachte Schäfer, der Schweizer war Mechaniker, hat sogar in einer Werkstatt gearbeitet, was lag da näher, als dass sein Mörder ebenfalls Mechaniker war?
    „Was kostet so ein Wagen?“, wandte sich Schäfer an den Techniker, während sie zurück ins Kriminalamt gingen.
    „Kommt auf die Ausstattung an … aber unter siebzigtausend bekommst du keinen.“
    „Da würde ich aber lieber einen fremden Wagen nehmen“, sagte Bergmann.
    „Habt ihr die Diebstahlanzeigen durch?“, wollte Schäfer wissen.
    „Andere Baustelle“, antwortete der Techniker, „müsst ihr den Pürstl fragen.“
    Im Hauptgebäude des Landeskriminalamts fragten sie nach dem Leutnant, den Schäfer noch aus seiner Ausbildungszeit kannte. Drei Jahre hatte er im Sicherheitsbüro unter dem zwölf Jahre älteren Pürstl gearbeitet. Anfangs hatte er den ruhigen und immer höflichen Polizisten als Lethargiker eingeschätzt, der sich ohne große Widerstände zur Pension durcharbeiten wollte. Dann bekam er Gelegenheit, Pürstl bei einigen Vernehmungen zu assistieren. Seitdem hatte Schäfer ein anderes Bild: Nie zuvor war ihm ein Polizist untergekommen, der so schnell Vertrauen zu einem Verdächtigen aufbauen konnte. Er machte alles richtig – ohne dass Schäfer damals genau hätte sagen können, was Pürstl eigentlich tat. Er trat jemandem gegenüber und ein paar Minuten später redeten sie über das Asthmaleiden, das ihre Väter teilten, oder über einen Berg in der Steiermark, den sie zufällig beide bestiegen hatten. Reine Menschlichkeit, hatte Pürstl einmal gemeint, und Schäfer wusste inzwischen, dass hinter dieser Floskel ebenso viel Größe und Kraft stand wie Bescheidenheit und Demut. Pürstl war sein Leitstern gewesen, daran müsste er sich wieder öfter erinnern, sagte er sich, als sie dessen Büro betraten.
    „Johannes“, begrüßte Pürstl ihn, „ich kann mich zwar nicht

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