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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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Magazin und überflog ein paar Artikel über die neuesten Modelle. Obwohl er sich für den Inhalt nicht sonderlich interessierte und einiges auch gar nicht verstand, blieb er an einem Satz in einem Testbericht über den neuen Golf hängen: „… haben die Ingenieure von Volkswagen das Problem mit den quietschenden Scheibenwischern immer noch nicht in den Griff bekommen.“ Er las den Satz noch einmal, schüttelte den Kopf und räumte Teller und Besteck in den Geschirrspüler. Mit dem noch halbvollen Weinglas setzte er sich auf die Couch und drehte den Fernseher auf. Nach einer Weile begannen ihn die Stimmen der Schauspieler so zu nerven, dass er den Ton abdrehte. Irgendwie ist heute nicht mein Tag, dachte er laut, stellte den Fernseher ganz ab und legte eine CD ein. Er setzte sich wieder an den Küchentisch und zündete sich eine Zigarette an. Nach der Hälfte erinnerte er sich an seinen Vorsatz, nur auf dem Balkon zu rauchen, und redete sich auf seinen verworrenen Geisteszustand hinaus. Schließlich nahm er das Telefon und wählte Bergmanns Nummer.
    „Bergmann. Ich bin’s. Störe ich?“
    „Nein … aber ich glaube, das ist das erste Mal, dass Sie fragen.“
    „Was fragen?“
    „Ob Sie stören.“
    „Wirklich?“, fragte Schäfer verwundert, „das muss ich mir merken. Aber was anderes: Ich verstehe da was nicht. Da war ein Automagazin in meinem Postkasten … Werbegeschenk … jetzt lese ich das und die schreiben in einem Testbericht, dass VW beim neuen Golf die Probleme mit den Scheibenwischern noch immer nicht in den Griff gekriegt hat!“
    „Ähm … und?“
    „Und!? … Ich meine: VW! … Die bauen schon seit Hitler Autos … den Golf gibt es schon seit was weiß ich wann … und die schaffen es nicht, Scheibenwischer zu bauen, die nicht quietschen … das geht mir nicht ein.“
    „Vielleicht ist das nicht so einfach“, überlegte Bergmann, „Scheibenwischer …“
    „Ah, hören Sie auf … warum kaufen die dann nicht einen Toyota oder irgendein Auto, bei dem nichts quietscht, und kopieren die Technik?“
    „Das weiß ich nicht. Vielleicht gibt’s da unterschiedliche Scheibenwölbungen oder Glaszusammensetzungen … ich bin ja auch kein Techniker. Oder es geht um eine Art Ehrencodex … dass die nichts kopieren wollen, sondern alles selber schaffen müssen … Deutsche eben …“
    „Ehrencodex? … Bei Scheibenwischern? Von mir aus bei alten Adelshäusern, die sich nicht vermischen wollen mit niederem Blut …“
    „Was reden Sie jetzt von Adelshäusern?“
    „Na ja … wegen dem Ehrencodex. Da kommt zum Beispiel eine Habsburgerprinzessin zu ihrem Vater und fragt ihn, warum sie alle so grässliche Nasen haben … ob man da nicht was unternehmen könne … zum Beispiel ein bisschen mit den Gonzaga vermischen … weil die so schöne kleine italienische Nasen haben. Und der alte Habsburger sagt: Mit den Gonzaga? Niemals! Da schaue ich lieber aus wie Pinocchio!“
    „Pinocchio hat es damals noch gar nicht gegeben.“ Bergmann seufzte hörbar ins Telefon.
    „Egal … war ja nur ein Beispiel. Auf jeden Fall wären nach Ihrer Theorie die Gonzaga dann Toyota … nur, Bergmann: VW muss Autos verkaufen, die stecken sowieso schon in der Krise … da kann sich doch niemand um einen Ehrencodex scheren.“
    „Ich habe Ihnen ja gesagt, dass ich kein Techniker bin“, erwiderte Bergmann genervt, „vielleicht geht es ja auch nur um die zweite … also … Auflage sozusagen … dass der Prototyp des neuen Golf quietschende Scheibenwischer hatte und das Serienmodell immer noch … vielleicht waren die Scheibenwischer bei den Vormodellen ohnehin in Ordnung …“
    „Da ist was dran“, gestand Schäfer nach einer Nachdenkpause ein, „aber dann hätten die das klarer formulieren müssen.“
    „Im Impressum ist sicher eine E-Mail-Adresse des Chefredakteurs.“
    „Ich verstehe schon, Bergmann … es hat mir nur keine Ruhe gelassen. Gute Nacht … und … danke.“
    „Gute Nacht. Bis morgen.“

19
    Kamp! Du Teufel! Als Schäfer am Morgen seinen Computer einschaltete, empfing er als Erstes eine Mitteilung aus dem Büro des Oberst. Für elf Uhr war eine Sonderbesprechung anberaumt. Neben Schäfer waren noch Bergmann, Bruckner, Strasser und Staatsanwältin Wörner eingeladen. Thema der Besprechung: die jüngsten Entwicklungen im Fall Rudenz. Schäfer wusste sofort, was Kamp mit diesem Vorgehen bezweckte. Er wollte ihm zuvorkommen, wollte ihm in Anwesenheit der Staatsanwältin den Wind aus den Segeln nehmen.

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