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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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Kopf und ließ ihn gleich wieder fallen. Warum haben die Frauen, die ich am liebsten habe, eigentlich immer mindestens zwanzig Jahre und vierzig Kilo zu viel, dachte er und streckte seinen verspannten Nacken durch. Er drehte den Kopf zur Seite und schaute Marjana zu, wie sie die Fenster wischte. Irgendwo in seinem traumgetrübten Gehirn das schwache Blitzen einer Synapse – eine verschüttete Assoziation, ein Signal aus der Ferne, er richtete sich auf und ging zur Kaffeemaschine.
    „Ah, Ferkel“, herrschte ihn Marjana an und schlug ihm den Putzfetzen in den Rücken, „mit schmutzige Schuhe auf nasse saubere Boden!“

20
    Nachdem er in einem Kaffeehaus ums Eck gefrühstückt hatte, saß Schäfer an seinem Schreibtisch, knetete einen schmutzigen Stressball, den ihm vor Jahren ein Kollege geschenkt hatte, und wartete auf Bergmann. Nicht dass er etwas Bestimmtes von ihm gebraucht hätte – doch zeitweise erzeugte dessen Abwesenheit ein seltsames Vakuum, das Schäfer gleichzeitig erschreckte und anzog wie ein dunkler Fluss, auf den er von einer hohen Brücke schaute. Unendliche Weiten, Planet Bergmann, der freundliche Fixstern.
    Kurz vor zehn rief er ihn an, erreichte jedoch nur die Mailbox. Er begann unruhig zu werden. Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit schön und gut, murmelte er vor sich hin, aber was bringt es, wenn man sich bei einer Unpünktlichkeit dann doppelt Sorgen machen muss? Um halb elf betrat Bergmann das Büro. Seinem Gesicht las Schäfer ab, dass tatsächlich etwas nicht in Ordnung war. Bergmann hängte seinen Mantel an den Haken und setzte sich.
    „Kamp liegt im Spital“, sagte er leise und sah Schäfer an, dem umgehend flau im Magen wurde.
    „Warum?“ Er versuchte sich unter Kontrolle zu halten.
    „Heute Morgen ist er zusammengebrochen. Kein richtiger Infarkt, aber irgendwas mit Insuffizienz, ich habe es vergessen. Er wird mindestens zwei Wochen ausfallen.“
    Schäfer stand auf und stellte sich ans Fenster. Ohne Vorwarnung stieg ihm das Wasser in die Augen. Er drehte sich zur Wand und täuschte vor, seine Aufzeichnungen zu überfliegen. Als er sich wieder im Griff hatte, setzte er sich und stützte den Kopf in die rechte Hand.
    „Ich fühle mich beschissen.“
    „Da sind Sie nicht der Einzige.“
    „Wer springt für ihn ein?“
    „Ist noch nicht fix … aber wahrscheinlich der Haidinger.“
    „Na ja, könnte schlimmer sein. Der hat ohnehin selbst genug um die Ohren.“
    Mit der Nachricht von Kamps Zusammenbruch war Schäfer jede Lust vergangen, mit Bergmann über die Zusammenhänge zu diskutieren, über die er in der Nacht spekuliert hatte. Zwar würde ihm der Oberst dank seiner Rossnatur bestimmt bald wieder die Leviten lesen können – dafür würde Schäfer sogar eine Kerze im Stephansdom anzünden –, doch so einfach mit dem Tagesgeschäft weiterzumachen … das erschien ihm pietätlos. Als würde man nach einer Beerdigung zum Autodrom gehen. Beerdigung – dass sich ihm plötzlich Gedanken aufdrängten, wie es ohne Kamp wäre, zwang ihn, auf die Toilette zu gehen und sich für eine Viertelstunde einzusperren.
    Es wurde ein Tag wie im Kloster. Sie saßen sich schweigend gegenüber, verzichteten auf ihr Mittagessen. Und ohne dass sie sich darüber austauschten, wussten sie genau, wem ihre Gedanken und Wünsche galten. Zum Zeitvertreib blätterte Schäfer in den beiden Büchern, die er aus der Uni-Bibliothek mitgenommen hatte.
    „Wollen Sie jetzt Staatsanwalt werden?“, fragte Bergmann.
    „Das sind zwei von den Büchern, die Laura Rudenz in den sechs Monaten vor ihrem Tod ausgeliehen hat … Sie können gern eins haben und durchsehen …“
    „Wozu?“, wollte Bergmann wissen, dessen logisches Denkvermögen von Kamps Zusammenbruch offenbar stark beeinträchtigt war.
    „Egal“, antwortete Schäfer und beschränkte sich darauf, die Überschriften zu lesen und die Bilder anzusehen.
    „Der Ballas“, murmelte er, als er erneut auf den Polizisten stieß, der ihm vor Kollers Haus begegnet war.
    „Wer?“
    „Ballas … Hauptkommissar aus Budapest … hab ihn neulich beim Koller gesehen … so ein Ostblock-Veteran mit Schnauzer und Lederjacke …“
    „Mhm …“
    „Wann ist eigentlich Besuchszeit?“, wollte Schäfer um kurz vor sechs wissen.
    „Jetzt bis acht … offiziell.“
    „Soll ich ihn besuchen? … Ich meine, nachdem …“
    „Ich glaube schon, dass es ihn freuen würde“, meinte Bergmann und sah ihn an, „Interne, Zimmer 332.“
    „Danke“, erwiderte Schäfer,

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