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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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um acht da.“
    „Gut, dann bis morgen …“
    „Bis morgen“, erwiderte Schäfer und legte auf.
    Da die Werbepause noch nicht zu Ende war, nahm er abermals seine Zigaretten und ging auf den Balkon. Die Vorstellung, am nächsten Tag wieder im Kommissariat zu sein, erleichterte und ängstigte ihn gleichermaßen. Mit dem Rücken an den Heizkörper gelehnt im Büro zu sitzen und mit Bergmann zu diskutieren, dafür konnte er sich erwärmen. Doch das war es ja auch nie gewesen, was ihn so fertiggemacht hatte. Er drückte die Zigarette in den Untersetzer eines leeren Blumentopfs und ging zurück ins Wohnzimmer. Nach „Magnum“ würde er sich „Der Wachsblumenstrauß“ mit Margaret Rutherford ansehen. Wahrscheinlich würde er es nicht schaffen, genügend Schlaf zu bekommen, da er in den letzten Tagen kaum einmal vor drei Uhr ins Bett gegangen war. Doch wenigstens würde es am folgenden Morgen einen Grund geben aufzustehen.

3
    Um sechs Uhr erwachte er aus einem wunderbaren Traum. Zum ersten Mal seit langer Zeit konnte er sich überhaupt wieder an einen Traum erinnern. Er stand auf und ging schlaftrunken ins Bad, stieß sich beinahe den Kopf am Türpfosten. Vor der Kloschüssel stehend bemühte er sich, die verbliebenen Fragmente des eben Erlebten im Kopf zu behalten. Da waren Blumenwiesen gewesen, ein See, Löwenzahnsamen, die wie kleine Fallschirme vom Himmel tanzten, und er selbst: am Wiesenrand unter einer Birke, so hoch, dass ihre Krone nicht auszumachen war; dort saß er in sich versunken und knüpfte eine Halskette aus Gänseblümchen, die schon mehrere Meter maß. Er sagte sich, dass es das Beste wäre, aufzubleiben und sich ein Frühstück zu machen – so würde er pünktlich ins Kommissariat kommen. Doch die Sehnsucht nach dem Traum trieb ihn zurück unter die Decke, und als er aufwachte, wusste er augenblicklich, dass er verschlafen hatte.
    Am Schottenring stieg er aus der Straßenbahn, sah auf die Uhr und entschied sich, erst gar nicht zur Morgenbesprechung zu gehen. Außer Bergmann erwartete ihn wahrscheinlich ohnehin niemand und so wäre ein Fernbleiben besser, als zu spät zu kommen. Mit einem Kopfnicken ging er am Portier vorbei und nahm die Treppen in den ersten Stock. Auf dem Gang traf er Bruckner, tauschte mit ihm ein paar Sätze über die Vorkommnisse des vergangenen Tages aus. Die Morde an den beiden Tschetschenen waren auf den Titelseiten aller Tageszeitungen, mitsamt den üblichen Spekulationen über Wien als neuen zentralen Standort der Ostmafia. Und der Innenminister? Schwafelte von einem neuen Asylgesetz. Arschloch.
    Als Schäfer sein Büro betrat, sah er zuerst eine mächtige Apparatur aus milchglasfarbenem Kunststoff auf seinem Schreibtisch stehen – bestimmt über einen halben Meter hoch und fast ebenso breit. Er hängte seine Jacke an die Wand, setzte sich und fuhr seinen Computer hoch. Kurze Zeit später betrat Bergmann das Büro und fand seinen Vorgesetzten gedankenverloren aus dem Fenster blickend.
    „Guten Morgen“, sagte er fröhlich.
    „Morgen“, murmelte Schäfer und deutete auf das seltsame Gerät, „was ist das da?“
    „Eine Tageslichtlampe“, erklärte Bergmann stolz, griff über den Schreibtisch und drückte einen Knopf, worauf der gesamte Raum von einem kühlen, grellen Licht erfüllt wurde. Schäfer starrte auf die Lampe und dann Bergmann an, der wie ein Kind vor dem Christbaum stand.
    „Aha … und …?“
    „Die gleicht den Lichtmangel im Winter aus“, kam Bergmann seiner Frage zuvor, „das regt die Produktion von … hab ich jetzt vergessen an und hebt die Stimmung. Eine Antidepressionslampe, quasi.“
    „Wird man davon braun?“
    „Nein … die ist UV-frei.“
    „So … was ist mit unserer Toten vom Hafen?“
    Bergmann setzte sich vor den Computer und klickte ein paar Mal mit der Maus.
    „Sonja Ziermann, geborene Hansch, zweiunddreißig Jahre, Lehrerin an einer Privatschule in Döbling. Verheiratet mit Harald Ziermann, neununddreißig, Beamter im Landwirtschaftsministerium. Eine zehnjährige Tochter.“
    „Was hat der Ehemann gesagt?“
    „Ich habe nur während der Fahrt in die Gerichtsmedizin mit ihm gesprochen … nicht mehr als das Nötigste. Sie hat gestern nur vier Stunden unterrichtet und dann freigehabt. Zu Mittag hat er mit ihr telefoniert, da hat sie gemeint, dass sie noch spazieren geht und dann zu Hause ist. Um fünf hat er sie angerufen und nur die Mailbox erreicht.“
    „Haben Sie ihn wegen der Handtasche gefragt?“
    „Hat sie fast nie

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