Ohrenzeugen
du willst!«, schlug er zaghaft vor.
Lisa nickte. »Okay.«
Heiko betrachtete sich im Spiegel. Die letzten Bartstoppeln waren weg. Seine Friseurin wollte ihm ja immer die Augenbrauen zupfen, aber das war nichts für ihn. Absolut unmännlich. Er wusch sich das Gesicht und sah dann zu, wie die Wassertropfen bis zu seinem Kinn herunterliefen.
Er sah eigentlich gar nicht so schlecht aus, fand er.
Dichtes, schwarzes Haar, das ihm vorne in die Stirn hing.
Oft genug war er im Kebabladen schon auf Türkisch angequatscht worden, weil viele Türken absolut überzeugt waren, einen Landsmann vor sich zu haben.
Dunkle Augen mit langen, feinen Wimpern. Die dicken Augenbrauen waren wohl nicht jedermanns Sache, aber ihm gefielen sie.
Er trocknete sein Gesicht ab.
Gerade Nase, nicht zu lang. Ein etwas zu schmaler Mund vielleicht.
Aber sonst…
Gut, einen kleinen Bauch hatte er gekriegt. Aber er sah noch männlich aus, nicht schwammig.
Er schlurfte ins Schlafzimmer und öffnete seinen Kleiderschrank. Was sollte er anziehen?
Ratlos wühlte er. Ein Hemd, das gefiel den Frauen. Er fand ein beigefarbenes. Und er zog sich eine schwarze Boxershorts an. Eine, die vorzeigbar war, ohne Eingriff. Für den Fall der Fälle. Obwohl es ja mehr als unwahrscheinlich war, dass es dazu kommen würde.
Mit Lisa konnte er sich aber so was schon vorstellen. Sie sah gut aus. Sie war nett. Und intelligent. Und nicht zuletzt hatte sie eine extrem gute Figur.
Sita lag auf dem Bett. Er verscheuchte sie und der Dackel jaulte auf. »Du weißt doch, dass du nicht aufs Bett sollst, Hund!«
Sita zog den Schwanz ein und trollte sich leidend. »Hund« nannte er sie nur, wenn er sie schimpfte. Heiko setzte sich aufs Bett und zog die Socken an. Dann wuschelte er dem traurig aussehenden Rauhhaardackel über den Kopf, was dieser mit einem dankbaren Hecheln, das wie ein Grinsen aussah, quittierte.
Sita war seit fünf Jahren seine beste Freundin. Er hatte sie aus dem Tierheim geholt und seither waren sie unzertrennlich. Blöd war nur, dass der Hund tagsüber lange allein war. Aber dafür gab es morgens und abends einen ausgedehnten Spaziergang. Spaziergänge, bei denen Heiko oft die besten Ideen zu seinen Fällen kamen.
»Wie findsch?«, fragte er seinen Hund und zeigte sein Outfit. Sita legte den Kopf schief und bellte zustimmend. Na also. Sie fand es gut. Und sie war schließlich auch eine Frau– irgendwie zumindest.
Er zog sich also das Hemd und die Lederhose an. Dann wuschelte er sich durchs Haar. Er würde kein Gel verwenden, das wäre so pubertär. Er wollte ja nicht aussehen wie ein Schuljunge, sondern wie ein Mann.
Ja, so würde es gehen. Er drehte sich zu Sita um und fragte: »Gut?«
Sita musterte ihn verwirrt und schnaubte schließlich zustimmend. Heiko sah auf die Uhr. Er musste los. Ah, noch ein Spritzer von dem Parfum, das ihm seine Ex vor sechs Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte.
Der Duft erinnerte ihn immer noch an die Zeit mit ihr, aber er war drüber weg. Sie hatte damals mir nichts dir nichts einen anderen geheiratet. Nur, weil er nicht scharf auf die Familiennummer gewesen war. Er hatte getobt, gebrüllt und geheult. Und sich den Hund geholt.
Aber jetzt war sie ihm egal. Er war bereit für etwas Neues. Es wurde auch Zeit, nach fünf Jahren. Er war jetzt 35. Immer noch nicht bereit für die Familiennummer. Aber für eine feste Beziehung. Mit Lisa zum Beispiel.
Lisa wohnte in einer Wohnung in Oonza. Sie hatte lange gebraucht, um zu verstehen, dass der Stadtteil von niemandem ›Onolzheim‹ genannt wurde.
Es hatte Heiko enormen Spaß bereitet, Lisa die korrekte Aussprache ihres Wohnortes beizubringen. Schließlich hatte sie es auf ein fast richtiges ›Oooohntsaaah‹ gebracht, worauf sie sehr stolz war.
Er fand sie putzig, wenn sie etwas nicht verstand. Aber sie wurde besser. War eben auch schwierig, wenn man aus Nordrhein-Westfalen ins tiefste Hohenlohe versetzt wurde.
Offenbar war damals vor einem Vierteljahr auch ihre Beziehung kaputt gegangen und sie hatte einfach nur weg wollen, egal, wohin. Und war dann in Crailsheim gelandet.
Der M3 schnurrte zufrieden, als Heiko zwischen Altenmünster, wo er wohnte, und Oonza Gas gab. Er schaltete den CD-Player ein. Er stand total auf Guns’n’Roses. Er fühlte sich immer wie 18, wenn er die Musik hörte. Es lief Paradise City. Gutes Lied.
Er bog in die Straße ein, in der Lisa wohnte, und stellte ab. Wie vereinbart, ließ er ihr Handy einmal klingeln. Dann beobachtete er
Weitere Kostenlose Bücher