Ohrenzeugen
könnten Sie sich doch überlegt haben…«
Maler schnaubte verächtlich, wirkte aber immer noch sehr aufgekratzt. Heiko war sich nicht sicher, ob seine Nervosität von einem allgemeinen Respekt vor der Obrigkeit herrührte, vielleicht von der Angst, eingesperrt zu werden, oder vielleicht auch daher, dass Maler tatsächlich Dreck am Stecken hatte.
»Hören Sie, ich weiß nicht, ob ich der Vater vom Max bin, und ehrlich gesagt, ist es mir auch egal. Vorbei ist vorbei. Die Erna hat sich damals entschieden und ich hab’ auch kurz darauf die Hedwig geheiratet.«
»Sind Sie glücklich mit ihr? Glücklicher, als Sie mit Erna gewesen wären?«, wollte Lisa wissen. Maler befeuchtete sich die Lippen. »Ich gebe zu, am Anfang war es nicht leicht. Aber ich habe meine Hedwig lieben gelernt und wir kommen sehr gut…«
»Könnte es nicht doch sein, dass da alte Gefühle wieder aufgeflammt sind?«, unterbrach Heiko und legte eine Kopie des Briefes auf den Tisch. »Datiert auf März des letzten Jahres«, meinte er und klopfte auf das Papier. »Wie gesagt, der Brief ist zu 70 Prozent von Ihnen.«
»Wer sagt das?«
»Unser Gutachter. Ein Profi. Irrt sich selten.«
Maler nahm das Blatt und überflog es. Dann machte sich ein Grinsen in seinem Gesicht breit. Er legte den Brief wieder ab. »Also, erstens ist das gar nicht meine Schrift.«
»Und zweitens?«
»Zweitens däd ii sou an gschwollana Scheiß gor net schreiwa.«
Heiko hatte einen Kugelschreiber aufgenommen und drehte ihn beiläufig zwischen den Fingern. »Der Brief ist also nicht von Ihnen?«, fragte Lisa. »Und von wem ist er denn dann?«
»Weiß ich doch net, habt ihr nicht auch die Schriftproben vom Silvio und vom Held? Schaut euch halt die mal genauer an.«
»Silvio Campo ist verheiratet und Held ist trauernder Witwer.«
»Ich bin auch verheiratet, na und? Und trauernder Witwer heißt ja wohl gar nichts! Andererseits kann ich mir das bei diesem verknöcherten alten Sack nicht wirklich vorstellen, da schon eher beim rassigen Silvio.« Er lächelte nervös und betrachtete kurz darauf wieder seine Fingernägel. Die Laptoptasten klackten rhythmisch und hörten dann auf.
»Auf dem Brief sind Fingerabdrücke, wir gehen nachher noch mit Ihnen zum Erkennungsdienst. Eine DNA-Probe brauchen wir auch, für den Vaterschaftstest.«
»Haben Sie ein Alibi für die Mordnacht?«, fuhr Lisa dann fort. Das Klacken der Tasten setzte wieder ein.
Maler wippte auf dem Bürostuhl hin und her. »Ich war zu Hause. Bei meiner Frau. Bei Hedwig.« Heiko schürzte die Lippen. »Sie können sich ja denken, Herr Maler, wie glaubwürdig für uns ein Alibi vom Ehegatten ist.«
Maler hob die Hände und ließ sie wieder sinken. »Und? Soll ich jetzt lügen? Was erfinden? Was ist euch denn lieber? Sperrt ihr mich jetzt ein oder nicht? Ansonsten würde ich nämlich sehr gerne wieder nach Hause.«
Lisa versuchte ein Lächeln und beugte sich verbindlich nach vorne. »Herr Maler, wir wollen Ihnen nicht verhehlen, dass Sie derzeit unser Hauptverdächtiger sind. Trotzdem haben wir keinen echten Beweis, weder für Sie noch gegen Sie. Noch nicht.«
Lisa ließ die Worte sacken. Maler blieb stumm, und Heiko seufzte. »Jedenfalls bringt unser Kriminalobermeister Sie gerne wieder nach Hause, quasi mit Chauffeur. Zuerst hätten wir allerdings noch gerne Ihre Fingerabdrücke und eine DNA-Probe von Ihnen. Und verreisen Sie bitte nicht, ja?«
»So, und drehen. Den Finger drehen, Herr Maler, ja, so.« Maler gehorchte und kam sich ein bisschen wie ein Kind beim Onkel Doktor vor.
»Und jetzt bitte auf diese Stelle abdrucken«, instruierte der rockig wirkende Spurensicherer, ein Herr Walter, wenn er den Namen noch richtig wusste. Er hatte etwas Furchteinflößendes an sich und wirkte ein bisschen wie die Sparversion von B.A.Baracchus aus der Fernsehserie ›Das A-Team‹. Aus den Augenwinkeln registrierte Maler eine riesenhafte Axt, die nachlässig auf einem Holzhocker lag.
»Entschuldigen Sie, aber ist das…?«, begann er.
»Mund auf!«, befahl der Spurensicherer.
»Wie bitte?«
»Mund auf!«
»Ah ja.« Maler öffnete den Mund und ließ es zu, dass der Rocker ein Wattestäbchen auf seiner Mundschleimhaut hin und her bewegte. Der Mann steckte das Stäbchen in ein Röhrchen und verschraubte es sorgfältig, bevor er antwortete: »Ja, das ist DIE Axt! Damit hat der Mörder zugeschlagen.«
»Das muss ein Monster sein.«
»In vielen Leuten stecken Monster, ohne dass sie was davon wissen. Oder ohne dass
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