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Ohrenzeugen

Titel: Ohrenzeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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Weiß, mit grauen Fugen.
    Er hatte sich auf dem einzigen Einrichtungsgegenstand niedergelassen: Einer Pritsche mit einer wenig gemütlich aussehenden, dunkelbraunen Auflage ohne Decke. Außerdem gab es noch ein Stehklo in der vorderen Ecke. Darüber und gerade außer Reichweite für den Insassen wölbte sich eine sehr kleine und sehr unauffällige Überwachungskamera.
    Unwillkürlich dachte er an Geschichten von einer Rolle Klopapier und einem Stück Seife pro Woche. Das könnte er nicht ertragen. Nein. Er könnte hier nicht drin sein. Er würde sich aufhängen, früher oder später.
    Das Gefühl des Begrabenseins meldete sich wieder. Maler sah zum Fenster. Es war viel zu weit oben, als dass er hätte hinaussehen können. Diffuses Streulicht fiel in den engen Raum, das irgendwie gar nichts brachte.
    Um sich abzulenken, begann er, die Kacheln zu zählen. Es waren 14 quer und sieben längs. Machte insgesamt 98 pro Wand. Pro Längswand. Also 196 an den beiden Längswänden. Endlich klackte das Schloss und die Tür schwang auf. Vor ihm standen die beiden Kommissare.
    »Herr Maler? Kommen Sie?«
     
    Wenig später saßen Heiko und Lisa zusammen mit dem Verdächtigen und Frau Brucker im Büro. Frau Brucker war Schreibkraft und würde das Verhör protokollieren. Auf diese Weise könnten die Kommissare sich auf die Mimik und auf die Art der Äußerungen des Verdächtigen konzentrieren.
    Momentan rann Maler ein Schweißtropfen über die Stirn, obwohl es im Büro nicht besonders warm war. Nervös wischte er ihn mit der Hand weg.
    Simon kam herein, legte die Akte auf den Tisch und stellte einen Automatenkaffee vor dem Verdächtigen ab, was dieser mit einem dankbaren Blick quittierte.
    »Milch? Zucker?«, bot Lisa an, aber Maler schüttelte den Kopf. Die Kommissarin nickte Frau Brucker zu, die sofort den bebrillten und stets sehr weise und streng wirkenden Blick auf den Bildschirm richtete.
    »Also, Herr Maler«, begann Heiko und schlug die Akte auf, »wir haben Sie hergebeten, weil wir Sie verdächtigen, Herrn Rudolf Weidner ermordet zu haben.« Die Tasten des Laptops klackten leise, als Frau Brucker das Protokoll begann. Maler trank einen Schluck Kaffee.
    »Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte er dann und kratzte sich am Kopf.
    »Ich werde Ihnen sagen, wie wir darauf kommen. Also: Wir wissen aus sicherer Quelle, dass Sie und Erna Weidner mal ein Paar waren! Und zwar bis… ungefähr Dezember 1976.«
    Heiko ließ die Information wirken und beobachtete sein Gegenüber. Der Mann verschränkte die Arme und starrte auf seine Finger.
    »Und?«
    »Und Rudolf Weidner hat Ihnen damals Ihre Freundin ausgespannt! Und wir haben einen Brief an Erna Weidner, der laut graphologischem Gutachten mit 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit von Ihnen ist.«
    Maler lachte unfroh. Dann beugte er sich nach vorne und sagte:
    »Also. Dass der Rudi mir die Erna damals ausgespannt hat, das stimmt. Und dass ich das damals nicht toll fand, das stimmt natürlich auch. Aber fänden Sie es nicht sinnvoller, wenn ich den Kerl gleich umgebracht hätte und nicht erst fast 40 Jahre später? Und ich kann nicht behaupten, dass ich damals nicht daran gedacht hätte. Meine Wut hätte dafür gereicht.«
    Lisa wedelte mit der Hand. »Ich sage Ihnen, was wir uns gedacht haben: Unsere Theorie ist, dass Sie damals mit Erna Weidner zusammen waren. Und, was Sie vielleicht nicht gewusst haben: Erna Weidner war schwanger und Maximilian ist nach unseren Erkenntnissen nicht Rudolfs Kind.«
    Maler hörte auf zu atmen und riss staunend die Augen auf.
    »Äh…, wie bitte…, was?«
    Heiko blätterte in der Akte und las vor: »Maximilian wurde am 25. August 1977 geboren. Rechnen wir doch mal neun Monate zurück, so in den November 1976? Sagt Ihnen das was?« Maler hob abwehrend die Hände. »Also, das weiß ich doch nicht mehr! Das ist ja schon so lange her.«
    »Entschuldigen Sie, aber das nehme ich Ihnen nicht ab! Das muss doch sicher sehr schmerzhaft für Sie gewesen sein, wenn Ihre schwangere Freundin…«
    »Ich wusste doch nicht, dass sie schwanger war!«
    Heiko lehnte sich in seinen bordeauxfarbenen Bürostuhl zurück, sodass dieser vernehmlich knirschte. Das Geräusch wurde nur noch vom Klacken der Maschine übertönt. »Wir haben uns gedacht, dass Sie vielleicht in letzter Zeit irgendwie herausbekommen haben, dass Sie Maximilians Vater sind. Und dass Sie sich dann wieder auf die alten Zeiten besonnen haben und angefangen haben, der Weidnerin Avancen zu machen. Und dann

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