Ohrenzeugen
sie, und statt ihres Kollegen, der ja jetzt wohl auch ganz offiziell ihr Freund war, kam Sita zur Tür herein, trottete aufs Bett zu und landete mit einem eleganten Satz auf der Bettdecke.
»Guten Morgen, Hund«, sagte Lisa und streichelte lachend das struppige Fell.
Aus dem Wohnzimmer tönte ein freudiges »Deppdu«. Hansi war also auch schon fit. Nun kam auch Heiko zur Tür herein, mit zwei Tassen Kaffee in der Hand.
»Guten Morgen«, grüßte er beinahe schüchtern und sah umwerfend süß aus mit seinen Boxershorts und seiner zerzausten Frisur.
»Guten Morgen.«
»Na, gut geschlafen?«, fragte Heiko und gesellte sich wieder zu ihr unter die noch warme Bettdecke. Sie kuschelte sich an ihn und nahm den Kaffeebecher. »Schwarz, gell?«, fragte Heiko und Lisa brummte zustimmend.
»Und, wie fühlst du dich?«, wollte sie wissen, während sie einen Schluck Kaffee trank.
»Gut, äh… gut!«, antwortete Heiko und fuhr sich verlegen mit den Fingern durchs Haar. Glücklich. Es war, als würden sie sich schon lange kennen, sehr lange, und nicht erst ein paar Monate. Seltsam, sehr seltsam. Sowas war ihm noch nie passiert. Lisa stellte den Kaffee weg und rückte dann ihren Kopf auf seiner Brust zurecht.
»Ich mich auch.«
Heiko schluckte. »Und… du denkst, es ist richtig, dass wir…?«
Er war vielleicht ein Idiot! Er sollte das Thema nicht anschneiden. Genieße den Moment, hatte seine Devise zu lauten. »Deppdu!«, kommentierte Hansi und Heiko musste dem Vogel ganz recht geben.
»Ja, das denke ich. Aber es gibt tatsächlich ein kleines Problem«, sagte sie. Heiko traute sich nicht zu fragen und tätschelte gedankenverloren ihren Rücken.
»Mein Ex«, informierte sie.
»Nun, es geht mich ja nichts an«, begann Heiko, »aber was genau war eigentlich neulich Abend los?«
Lisa richtete sich auf. »Das hab’ ich dir doch schon erzählt. Ich hab’ Nein gesagt.«
»So?«
»Ja!«
»Und?«
»Nun ja…«, fuhr Lisa fort, »er hat gesagt, er kann das nicht akzeptieren, er will mich heiraten, und er wird hierbleiben.«
»Was?«, fuhr Heiko auf und sah sie an. »Wie bitte?«, verbesserte er sich.
Lisa holte tief Luft und spielte mit seinem Brusthaar. »Er hat gesagt, er bleibt so lange im Hotel Post Faber wohnen, bis ich es mir anders überlege. Und jetzt weiß ich nicht… nun, das ist ein Problem. Findest du nicht?«
Heiko schüttelte den Kopf. »Kein Problem. Ich kümmere mich drum! Aber jetzt ist erst mal der erste Mai und das bedeutet: Maiwanderung!«
»Bitte was?« Lisa blinzelte verständnislos.
»Maiwanderung! Das ist Tradition. Gut, ehrlich gesagt, machen das eigentlich nur die Männer. Aber du bist doch emanzipiert, oder nicht?«
Beim Frühstück erklärte Heiko Lisa, dass am 1. Mai alle Männer durch die Gegend wanderten– mit einem Laaderwächele, einem Leiterwagen, der ausreichend Platz für ein paar Bratwürste und eine Kiste Bier bot. Denn mehr brauchte ein Mann am 1. Mai nicht, um glücklich zu sein. Vielleicht noch Lisa, dachte Heiko insgeheim.
Sie starteten ihre Wanderung in Wollmershausen. Heiko stellte den M3 auf einem kleinen Parkplatz ab.
Sita hüpfte begeistert aus dem Wagen und umkreiste die beiden wild bellend. Sie freute sich offenbar unbändig, dass es einen größeren Ausflug gab, denn so viel hatte auch sie schon begriffen.
Sie hatten zwar keinen Leiterwagen dabei, aber Heiko hatte eine Decke und eine Packung Nürnberger Rostbratwürste– die er für Notfälle immer im Kühlschrank hatte– sowie Brot und zwei Flaschen Wasser im Rucksack.
Lisa hatte ihm angeboten, auch was zu tragen, aber er hatte heldenhaft abgelehnt. Er nahm ihre Hand und sie wanderten in Richtung der Gronachtalbrücke, die sich über das kleine Tal erstreckte. Strahlend blauer Himmel spannte sich wie ein gewaltiges Zelt über dem blendend weißen Bauwerk.
Schließlich passierten sie die Stelle, wo die Brücke ihr Lager hatte, und Heiko erklärte Lisa stolz die Rollenkonstruktion. Lisa nickte ehrfürchtig und anerkennend.
Sie liefen nun bergab, durch ein waldiges Gebiet mit einzelnen Wiesen und schließlich am Waldrand entlang. Mehrfach kamen ihnen mehr oder weniger angeheiterte Männergruppen entgegen, die Bierkästen teilweise erstaunlich leer für die frühe Stunde. Aber das gehörte zum 1. Mai eben einfach dazu.
Schließlich zog Heiko Lisa in den Wald hinein. Schlagartig war das Licht gedämmter. Ein dunkles Grün, durchzogen von einem unterschwelligen Leuchten, durchflutete die Szenerie.
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